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Karst und Grundwasser

Sie sind gerade auf einer ganz besonderen Felsoberfläche unterwegs, die man in Savièse gemeinhin «Lapis» nennt. Dieser Patois-Ausdruck, auf Französisch «Lapiés» oder «Lapiaz», heisst auf Deutsch «Karrenfeld» und bezeichnet eine Fläche aus Kalkstein, die von Niederschlägen und abfliessendem Wasser geformt wird. So entsteht eine Felsoberfläche mit zahlreichen Einschnitten, Klüften und geschlossenen Vertiefungen, in denen sich oft kleine Seen oder Firnflächen befinden. Je länger der Gletscherrückgang her ist, desto zerfurchter ist die Felsoberfläche; je näher man an die heutige Gletscherfront kommt, desto ebenmässiger wird sie.

Während der Begriff «Karrenfeld» die Oberfläche des Felsens beschreibt, erfolgt die Auflösung des Kalksteins durch die im Wasser enthaltene Kohlensäure natürlich durch die gesamte Dicke des Felsens und lässt einen Karst entstehen.

Ein Paradies für Höhlenforscher

Die Wasserdurchlässigkeit des Karsts führt dazu, dass sich ein ganzes unterirdisches Netz aus Hohlräumen, Grotten oder Tropfsteinhöhlen bildet – ein Paradies für Höhlenforscher! Sie ist auch die Erklärung, warum es fast keinen Wasserabfluss an der Oberfläche gibt. Dieser findet in der Tiefe statt, wo die durchlässige Kalksteinschicht auf eine undurchlässige Gesteinsschicht, den Schiefer, trifft. Das Wasser tritt weiter unten wieder zutage und bildet Quellen, so wie bei Glarey (Posten 9).

Der Karst von Tsanfleuron gehört zu den bekanntesten der Alpen, zusammen mit dem Désert de Platé in der Haute-Savoie oder dem Silberen in der Zentralschweiz. Seit den 1970er Jahren wird er immer wieder untersucht und erforscht. Zwei Faktoren machen ihn für Forscher besonders interessant: dass er weitgehend unbedeckt ist und dass sein Scheitelbereich von einem leicht zugänglichen Gletscher bedeckt ist.

Blick auf die Tsanfleuron-Lapis. Septembre 2024 ©lindaphoto.ch
Lapis von Tsanfleuron. ©lindaphoto.ch
Lapis von Tsanfleuron. Doline. ©lindaphoto.ch