Reportage

Porträt

Zu Besuch

in Euseigne

Zu Besuch à Euseigne

Zu Besuch in Euseigne <br> mit Sylvia Sierro&nbsp;–&nbsp;Cina

Euseigne ist bei vielen eher als Durchgangsort denn als eigentliches Reiseziel bekannt. Dabei ist das Örtchen auf der Bergstrasse zwischen Vex und Evolène, das zur Gemeinde Hérémence gehört, durchaus einen Abstecher wert. Für Sylvia ist Euseigne mit seinen 400 Einwohnerinnen und Einwohnern weit mehr als ein Dorf; sie bezeichnet es als eine grosse Familie. Wir begleiten sie auf einer Entdeckungstour durch ihre Wahlheimat.

 

Ein absolutes Muss: die Pyramiden von Euseigne

Die Erdpyramiden von Euseigne sind als Naturdenkmal von nationaler Bedeutung anerkannt und stehen zuoberst auf der Liste der Natursehenswürdigkeiten der Region. Schweiz Tourismus bezeichnet sie sogar als «eine der bedeutendsten geologischen Sehenswürdigkeiten der Alpen». Die Erdfiguren mit ihren markanten Hüten sind ein äusserst beliebtes Fotosujet, davon zeugen die zahlreichen Aufnahmen im Netz und den sozialen Medien. Ob bei Nacht, im Schnee, im Gegenlicht, aus der Luft oder zwischen Nebelschwaden – die Pyramiden zeigen sich stets von ihrer schönsten Seite.

Sylvia erinnert dieses Naturdenkmal an einen Leuchtturm: «Die Türme sieht man schon von Weitem, sie zeigen einem den Weg nach Hause.» Augenzwinkernd fügt sie hinzu: «Irgendwie sind sie auch das Tor zu meinem Reich».

Sylvia erinnert dieses Naturdenkmal an einen Leuchtturm: «Die Türme sieht man schon von Weitem, sie zeigen einem den Weg nach Hause.» Augenzwinkernd fügt sie hinzu: «Irgendwie sind sie auch das Tor zu meinem Reich».

Eine historische Begebenheit: der Brand von 1917

«Eine traurige Nachricht», vermeldete der Le Nouvelliste vom 22. Dezember 1917. «Das gesamte Dorf Euseigne, im Bezirk Ering, steht in Flammen. Zum Zeitpunkt, als wir die Mitteilung erhalten, bleibt nur wenig Hoffnung, dass noch etwas gerettet werden kann.» Der Artikel erschien am Tag nach dem Unglück. Schliesslich hatte der Brand schwere Verluste zur Folge, wurden doch hunderte Gebäude dem Erdboden gleichgemacht. Glücklicherweise kamen keine Menschen ums Leben, doch über 50 Familien verloren ihr Zuhause.

Obwohl das Unglück nun schon lange her ist, bleibt es in den Köpfen der Einheimischen präsent. Zum 100. Jahrestag des Brandes im Jahr 2017 wurden die tragischen Ereignisse im Dorf nachgestellt. «Die Gedenkfeier wurde zu einem grossen Dorffest, es war ein sehr aufschlussreicher und schöner Anlass», erinnert sich Sylvia.

Seit dem Wiederaufbau zeigt sich Euseigne mit einem völlig anderen Gesicht. Im Ortskern rund um den Dorfplatz stehen heute mehrstöckige Häuser, die Abstände dazwischen sind grösser als früher. «Auch wenn du alles verlierst, ist es noch nicht vorbei. Du kannst alles wieder aufbauen und ein neues Leben beginnen», ist sich Sylvia sicher. «Aber dazu braucht es eine gehörige Portion Mut, man muss die Zähne zusammenbeissen und es anpacken wollen.»

Ein Geheimtipp: das Museum der Stiftung Fondation Robert et Mathilde Seppey

Das Museum der Fondation Robert et Mathilde Seppey ist dem Leben von früher gewidmet. An verschiedenen Standorten in Euseigne finden die Besucherinnen und Besucher rund 4500, teils seltene, Ausstellungsstücke vor – Zeugen einer anderen Zeit. Diese Antiquitäten, wie Spinnrad, Melkstuhl oder Butterfass, gehörten zum Alltag der Generation unserer Grosseltern. «Mit der Industrialisierung verschwanden diese Dinge», bedauert Sylvia, «darum ist es wichtig, sie zu erhalten, bevor sie ganz in Vergessenheit geraten».

In der Museumssammlung warten auch Kostüme, Fotos und Schriften darauf, entdeckt zu werden. Der leidenschaftliche Sammler Robert Seppey, der von 1920 bis 2013 und somit in zwei Jahrhunderten lebte, hat dieses Erbe hinterlassen, das nun von seiner Tochter Josiane und seinem Enkel Thierry weitergeführt wird. «90 % der Ausstellungsstücke stammen aus unserem Tal», erklärt uns Thierry. «Ziel meines Grossvaters war es, sie für die kommenden Generationen aufzubewahren. Das ist auch der heutige Zweck der Stiftung».

Manche Werkzeuge oder Gegenstände gibt es in verschiedenen Ausführungen, so finden sich im Museum eine ganze Reihe an Hobeln, Rechen oder Hüten. Auch die Geschichte der Beleuchtung wird erzählt, von der Fettlampe über die Talg- und Karbidlampe bis hin zur Petroleumlampe.

«Mein Lieblingsstück ist ein Schleifsteinköcher aus Holz», antwortet Sylvia. «Das weckt bei mir Kindheitserinnerungen. Als ich klein war, habe ich meinen Grosseltern oft beim Heuen geholfen. Den Köcher trug man am Gürtel, das war praktisch, um die Sense zu wetzen.» Josiane, die bei der Museumsführung mit dabei ist, fügt hinzu: «Im Patois nennt man den Holzköcher le covet».

 

Von Mai bis Oktober organisieren Josiane und Thierry auf Anfrage kostenlos geführte Besichtigungen und lassen die Besucherinnen und Besucher mit vielen Anekdoten in die alten Zeiten eintauchen. 

Eine originelle Initiative : die Backgruppe Le four des amis du pain

In Euseigne stellt man das Brot noch selbst her. Es wird von Hand geformt und dann im dorfeigenen Holzofen gebacken. 25 Hobbybäckerinnen und Hobbybäcker beteiligen sich jedes Wochenende von Mitte Oktober bis Mitte Mai am gemeinsamen Backen. Jede Woche backen zwei Mitglieder der Brotgemeinschaft nach einem festen Turnus das Brot für alle Vereinsmitglieder.

«Den Ofen haben wir in unserer Freizeit selbst gebaut», erzählt uns Paul Mayoraz, Mitbegründer der Euseigner Brotbäcker. Bis zu 10 Ster Holz verbraucht der Ofen pro Saison.

Diese originelle Initiative wurde vor 25 Jahren ins Leben gerufen und hat seither festen Bestand. «Das gemeinsame Brotbacken stärkt unseren Zusammenhalt und belebt das Dorf, das gefällt mir sehr», begrüsst Sylvia diese Tradition.

Diese originelle Initiative wurde vor 25 Jahren ins Leben gerufen und hat seither festen Bestand. «Das gemeinsame Brotbacken stärkt unseren Zusammenhalt und belebt das Dorf, das gefällt mir sehr», begrüsst Sylvia diese Tradition.

Das Abschlussbacken der diesjährigen Saison ist für den 7. Mai geplant. Wer sich das Schauspiel gerne mit eigenen Augen ansehen möchte, folgt ganz einfach dem unverkennbaren Duft von warmem Brot in den Dorfteil Plan de la Croix!

 

 

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Glosse

Auf Nimmerwiedersehen

Glosse

Auf Nimmerwiedersehen

Sie haben noch nie etwas von Ghosting gehört? Nun, dann zählen Sie wohl zu den Glücklichen, die im Laufe ihres Dating-Lebens noch nie Opfer dieser miesen Masche geworden sind. Man lernt jemanden kennen, baut eine Freundschaft oder vielleicht Romanze auf, und von heute auf morgen ist die betroffene Person auf einmal nicht mehr zu erreichen. Sie erwidert keine Telefonanrufe, keine SMS und selbst auf sozialen Netzwerken hat sie einen mittels Blockierfunktion aus ihrem Leben verbannt. Sie ist von der Bildfläche verschwunden wie ein Geist.

Diese Unsitte zieht inzwischen immer grössere Kreise und scheint nun auch in der Geschäftswelt angekommen zu sein. Obwohl sich im digitalen Zeitalter so viele Kommunikationsmittel wie noch nie zuvor anerbieten, passiert es heutzutage anscheinend immer häufiger, dass Arbeitssuchende im Bewerbungsprozess «geghostet» werden. Ohne Erklärung oder Begründung werden sie vom Unternehmen einfach abgeschrieben. Auf der anderen Seite klagen aber auch Unternehmen immer häufiger über Bewerber, die nicht zum Vorstellungsgespräch oder zum Arbeitsantritt erscheinen.

Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dieser Trend sei eine Konsequenz des Zeitalters der Digitalisierung, in dem Verbindlichkeiten und Zugeständnisse immer mehr in den Hintergrund rücken würden. So eine ganz neue Erfindung ist Ghosting aber nicht. Dieses Phänomen ist so alt wie die Zeit. Früher hiess das Ganze einfach «Ich bin dann mal eben Zigaretten holen….» Egal wie man es nennt, so ein Verhalten ist inakzeptabel und mit nichts zu rechtfertigen. Und es kann einem im wahrsten Sinne gehörig auf den Geist gehen.

 

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Ratgeber

Blick ins Staatsarchiv

1917 - Einschränkung der Nutzung von Kohle und elektrischer Energie

Blick ins Staatsarchiv

1917 - Einschränkung der Nutzung von Kohle und elektrischer Energie

Ein möglicher Energiemangel ist in diesen Tagen aktueller denn je. Ein Blick ins Archiv zeigt, dass unser Land während des Ersten Weltkriegs schon einmal mit diesem Risiko konfrontiert war, und welche Massnahmen ergriffen wurden, um die Lage zu bewältigen. Wie wir wissen, blieb die Schweiz zwar vor militärischen Angriffen verschont, die wirtschaftlichen Folgen dieses Konflikts trafen sie jedoch mit voller Wucht[1] . Dies hatte zur Folge, dass der Bundesrat ab 1914 unbeschränkte Vollmachten erhielt und darauf gestützt eine Kriegswirtschaftspolitik einführte, um den Blockaden der Grossmächte entgegenzuwirken und die Versorgung des Landes mit Rohstoffen sicherzustellen. Im August 1917 wurde schliesslich ein Bundesbeschluss über die eingeschränkte Nutzung von Kohle und elektrischer Energie erlassen, wobei die Umsetzung der Massnahmen den Kantonen übertragen wurde. Statt eine direkte Rationierung der Kohle- oder Gasmengen anzuordnen, zog es der Bundesrat jedoch vor, auf die Verbrauchsgewohnheiten einzuwirken, indem Heizung und Beleuchtung gedrosselt werden mussten.

 

In diesem Zusammenhang erliess der Walliser Staatsrat am 19. Oktober 1917 einen entsprechenden Beschluss, der insbesondere Folgendes vorsah:

  • Die Geschäfte sind an Sonntagen und Feiertagen zu schliessen, mit Ausnahme von Geschäften in Berggemeinden.
  • Die Geschäfte dürfen nur zwischen 8:30 und 19:00 Uhr geöffnet sein.
  • Jegliches Heizen vor der Öffnungszeit in Herbergen ist verboten.
  • Hotels und Pensionen ist es verboten, mehr als ein Viertel ihrer Zimmer zu heizen. Sollten die Temperaturen jedoch auf -5° sinken, ist eine Ausnahmegenehmigung möglich.
  • - Es darf, mit Ausnahme gewisser Berufsgruppen, ausschliesslich von Montag bis Samstagmittag gearbeitet werden, jeweils von 08:00 bis 17:00 Uhr. Diese Arbeitsorganisation gilt für die Angestellten der kantonalen Verwaltung, die Arbeitnehmenden der Privatwirtschaft und die Walliser Schüler.
Darstellung einer handgefertigten Kurve zum täglichen Stromverbrauch 1917. CH AEV 3510-1, 2.6.

 

Schon einen Monat vor diesem Beschluss hatte der Gasversorgungsdienst der Stadt Sitten die Stadtbevölkerung bereits über den beträchtlichen Preisanstieg von Gas und die Versorgungsschwierigkeiten in Kenntnis gesetzt. Der Gaspreis war zum einen vor allem aufgrund der Teuerung der Kohle angestiegen, zum anderen war er aber absichtlich in die Höhe getrieben worden, um den Verbrauch zu begrenzen. Um diesem Anstieg entgegenzuwirken, veröffentlichte der Staatsrat im November 1917 ein Dekret, das eine Alternative zu fossilen Energieträgern vorsah: die Einbindung von Elektrizitätswerken, um die Bewohner des Kantons mit der nötigen Energie zu versorgen. Der Stromverbrauch stieg stark an und die staatlichen wie auch privaten Elektrizitätswerke nutzten die Gunst der Stunde und dieses Dekret für sich, und boten ihren Kunden die Installation von Elektroherden an, um die mittlerweile zu teuren Gasherde zu ersetzen.

 

 
 Mitteilung des Gasversorgungsbetriebes der Gemeinde Sitten, 18. September 1917. CH AEV 3510-1, 2.6.

 

 

1HLS DHS DSS; Hans Rudolf Fuhrer; Mauro Cerutti; Marc Perrenoud; Markus Bürgi: «Weltkrieg, Erster», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 05.05.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008926/2015-05-05/, am 29.11.2022 aufgerufen.

 

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