Reportage

Gefürchteter Eindringling: Jagd auf den Japankäfer

Reportage Gefürchteter Eindringling: Jagd auf den Japankäfer

Tausende gefangene Käfer

Auf der Südseite des Simplons leert Fabienne Ruff die Fallen, die zum Fangen des Japankäfers aufgestellt wurden. Dazu wurden rund dreissig Standorte errichtet. Es ist Mittwoch und somit Sammeltag. «Einmal pro Woche gehe ich die Fallen durch. Die gefangenen Insekten fülle ich in einen Beutel um, auf dem ich das Datum und den Fangort vermerke», erklärt sie. Der heutige Fang ist beachtlich: zwischen dem Simplonpass und Gondo wurden etwa 4000 Schädlinge eingesammelt. Der exotische Japankäfer zeichnet sich durch seine weissen Borstenbüschel aus, ist aber 2 bis 3 mm kleiner als sein einheimischer Verwandter, der Kleine Julikäfer.

 
 

 
 

Staatsfeind Nr. 1

Er ist zwar klein, aber äusserst gefrässig und vor allem extrem polyphag, was so viel bedeutet wie: Er frisst alles, was ihm unterkommt, oder zumindest fast alles. Der gefürchtete Schädling ernährt sich von mehr als 400 verschiedenen Pflanzenarten. Die ausgewachsenen Käfer fressen Blätter, Früchte und Blüten. Sie befallen insbesondere Apfelbäume, Steinobstbäume und Weinreben. Die Larven wiederum ernähren sich von Wurzeln. Von allen invasiven Tierarten im Wallis gilt der Japankäfer als Staatsfeind Nr. 1. «Er stellt wirklich eine grosse Gefahr für die Schweiz und Europa dar», warnt Georg Bregy, Adjunkt und Stellvertreter des Chefs der Dienststelle für Landwirtschaft. «Wenn er sich ausbreitet, kann er erhebliche Schäden in der Landwirtschaft, in den Wäldern und auf Grünflächen anrichten.»

Der Simplon als vorderste Front

Im Wallis ist der Südhang des Simplons die vorderste Front. Die ersten Exemplare dieses ungebetenen Gastes wurden 2023 in der Nähe von Gondo gesichtet, wo sie von Italien herkamen. «Sie landeten 2014 in der Lombardei, unweit des Flughafens Malpensa, der eine Drehscheibe des Luftverkehrs ist. Es ist wahrscheinlich, dass diese Besiedlung von Japankäfern stammt, die mit dem Flugzeug nach Italien gelangten», erklärt Georg Bregy. Es handelt sich also um blinde Passagiere, die in der Fracht, in einem Koffer oder unter der Kleidung von Touristen versteckt waren. Die Anekdote mag zum Schmunzeln anregen, für die Gemeinden Simplon und Zwischbergen ist diese Invasion jedoch eine ernste Angelegenheit, denn die Region gilt heute als Befallszone.

Sie landeten 2014 in der Lombardei, unweit des Flughafens Malpensa, der eine Drehscheibe des Luftverkehrs ist. Es ist wahrscheinlich, dass diese Besiedlung von Japankäfern stammt, die mit dem Flugzeug nach Italien gelangten

 
 

In Schach halten statt ausrotten

Fabienne Ruff verbringt bereits den zweiten Sommer damit, die unerwünschten Schädlinge zu dezimieren. Die Umweltingenieurin ist für acht Monate beim Amt für Rebbau und Wein angestellt. In Simplon ist die Verbreitung so weit fortgeschritten, dass eine Ausrottung nicht mehr möglich ist: Nun geht es darum, die Schädlinge in Schach zu halten und ihre Verbreitung einzudämmen. Die Fangaktion begann Mitte Juni und wird bis Oktober andauern. Dazu werden zwei Methoden eingesetzt: Trichter mit Auffangbehältern und Netze. «In beiden Fällen werden die Japankäfer durch den Geruch von Pheromonen oder Nahrung angelockt. Beide Fallen sind wirksam, aber nur mit ersterer lässt sich die Anzahl der getöteten Insekten auch beziffern», erklärt die Expertin.

Einfrieren und wiegen

Nachdem die Trichterfallen geleert sind, werden die gefangenen Käfer in den Säckchen zur Landwirtschaftsschule in Visp gebracht. Dort kommen sie in den Tiefkühler, wo sie mindestens 12 Stunden bleiben, bevor sie gewogen werden. «Eingefroren können sie nicht mehr versehentlich in die Natur entkommen», erklärt Fabienne. Anhand des Gewichts der Beute lässt sich dann die Anzahl der gefangenen Tiere bestimmen. «Sie einzeln zu zählen, würde viel zu lange dauern. Da ein Japankäfer etwa 0,05 Gramm wiegt, lässt sich der Inhalt eines Beutels leicht schätzen».

 
 

Der Simplon, ein Freiluftlabor

Im Jahr 2024 wurden am Simplon nicht weniger als 84'000 Japankäfer gefangen. In diesem Jahr scheint der Befall geringer zu sein, denn Mitte Juli sind die Fangzahlen rückläufig, und auch die Schäden an der Vegetation nehmen ab. Dennoch gilt es keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, denn das Insekt ist nicht zwangsläufig auf dem Rückzug. Ganz im Gegenteil. Das Phänomen erklärt sich durch seinen Lebenszyklus: «In den Höhenlagen bleibt der Boden länger gefroren. Daher kann es sein, dass der Käfer hier einen zweijährigen Zyklus zwischen seinem Ei- und Ausgewachsenenstadium hat, während dieser in der Ebene nur ein Jahr dauert. Um Gewissheit zu haben, müssen wir bis 2026 warten», erklärt Fabienne. Georg Bregy fügt hinzu: «Die Situation ist neu. Meines Wissens ist es das erste Mal, dass der Japankäfer eine Bergregion besiedelt. Wir müssen also noch vieles über ihn lernen.»

In den Höhenlagen bleibt der Boden länger gefroren. Daher kann es sein, dass der Käfer hier einen zweijährigen Zyklus zwischen seinem Ei- und Ausgewachsenenstadium hat, während dieser in der Ebene nur ein Jahr dauert. Um Gewissheit zu haben, müssen wir bis 2026 warten

Ein aussichtsloser Kampf?

In ihren Prognosen rechnet die Dienststelle für Landwirtschaft spätestens in zwei Jahren mit einem deutlichen Anstieg der Population der Japankäfer im Wallis, was ein erhöhtes Risiko für die landwirtschaftlichen Kulturflächen mit sich bringt. Ist der Kampf angesichts der Situation am Simplon nicht eigentlich schon verloren?

Georg Bregy gibt sich noch nicht geschlagen: «Wir wissen, dass es ernst ist. Ich bin Realist, Panik ist nicht angebracht. Die Landwirtschaft hatte schon immer Krisen zu bewältigen, und jedes Mal haben wir Lösungen gefunden. Aber neue Schadorganismen bedeuten für die Landwirtschaft zusätzliche Kosten.»

Am Simplon geht die Jagd weiter. Jeder Fang liefert neue Erkenntnisse über einen gefürchteten Schädling und ist somit entscheidend, um seine Ausbreitung bestmöglich einzudämmen.

 

Wir wissen, dass es ernst ist. Ich bin Realist, Panik ist nicht angebracht. Die Landwirtschaft hatte schon immer Krisen zu bewältigen, und jedes Mal haben wir Lösungen gefunden. Aber neue Schadorganismen bedeuten für die Landwirtschaft zusätzliche Kosten.   

Espèces animales envahissantes en Valais.  

Trois questions à Georg Bregy

Seit 2018 ist die Arbeitsgruppe «Neozoen» innerhalb der Kantonsverwaltung tätig. Ihre Aufgabe ist es, dem Staatsrat und den betroffenen Dienststellen Massnahmen zum Umgang mit invasiven Arten, seien es Pflanzen oder Tiere, vorzuschlagen.

Georg Bregy, Vorsitzender der Arbeitsgruppe, koordiniert die staatlichen Massnahmen in diesem Bereich.

  • Welche invasiven Tierarten gibt es im Wallis?
    Neben dem Japankäfer sind auch die Tigermücke, die asiatische Hornisse, die Ameise Tapinoma magnum und die Quagga-Muschel zu nennen. Der Bund stuft diese Lebewesen nach ihrem Schädlichkeitsgrad ein. Der Japankäfer steht ganz oben auf der Liste, die Quagga-Muschel hingegen stellt im Wallis voraussichtlich ein geringeres Problem dar.

  • Wer koordiniert die Bekämpfung in der Schweiz: die Kantone oder der Bund?
    Das hängt von der Art ab. Für den Japankäfer, der als prioritärer Quarantäneorganismus eingestuft ist, legt der Bund die Strategie und die anzuwendenden Massnahmen fest. Die Kantone setzen diese dann um und passen sie an die Gegebenheiten vor Ort an. In diesem Fall übernimmt der Bund auch die Hälfte der Kosten.
    Für die vier anderen genannten Arten, die als weniger gefährlich eingestuft werden, ist der Kanton zuständig. Meiner Meinung nach ist dieses System jedoch nicht optimal. Besser wäre es, wenn der Bund alle Massnahmen unabhängig von der betroffenen Art steuern würde. Das wäre kohärenter und effizienter. Die aktuelle Revision des Bundesgesetzes über den Umweltschutz sollte in diese Richtung gehen.

  • Was erwarten Sie von der Bevölkerung?
    Vor allem Wachsamkeit. Wer in einem vom Japankäfer befallenen Gebiet unterwegs war, sollte nach seiner Rückkehr sein Gepäck und seine Kleidung untersuchen, um eine versehentliche Verbreitung zu vermeiden.
    Ausserdem ist jede und jeder Einzelne aufgerufen, verdächtige Organismen zu melden. Sollte sich die Meldung als unbegründet herausstellen, ist das nicht weiter schlimm, im Gegenteil: Wichtig ist, dass man lernt, diese Arten zu erkennen und die Augen offen zu halten. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen, um diese Invasionen einzudämmen.

 

 

Weitere Informationen:

vs.ch/especes-envahissantes

 

 

 

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Aus der Traum

Dank meines Familiennamens - den ich hier aus Anonymitätsgründen im Übrigen nicht nennen möchte - glaubte ich mich kürzlich sehr bald schon reich. Unverschämt reich, um es genauer auszudrücken. Auf mein Konto hätte demnächst ein nettes Sümmchen in Millionenhöhe flattern sollen. Aber fangen wir erst einmal ganz von vorne an….

Vor ein paar Tagen schrieb mich übers Geschäftsmail ein Henry Smith an. Seines Zeichens Nachlassverwalter eines Klienten, der vor einiger Zeit plötzlich verstarb, ohne ein Testament oder einen Erben zu hinterlassen. Wie Smith schrieb, gelang es ihm auch nach intensiver Suche nicht, einen Erben zu finden, weshalb das Vermögen nun zu verschwinden drohte. An dieser Stelle brachte er meine Wenigkeit ins Spiel.

Offensichtlich war der Verstorbene Schweizer Abstammung und trug sogar denselben Nachnamen wie ich. Es könne also durchaus möglich sein, dass wir Schwippschwager oder sonst irgendwie entfernt verwandt seien, schrieb Henry Smith in nicht ganz korrektem Deutsch. Der genaue Verwandtschaftsgrad spiele aber ohnehin keine allzu grosse Rolle. Denn er brauche lediglich jemanden, den er zum Erben erklären könne. Ansonsten würde das Vermögen in Höhe von 18,5 Millionen Britischen Pfund wegfallen und ihm so sein Provisionsanteil von 40 Prozent des Erbes durch die Lappen gehen. Er bat mich, mich bei Interesse doch bitte umgehend bei ihm zu melden – und dabei natürlich Diskretion zu wahren.

Selbstverständlich war ich interessiert. Diskretion konnte ich ihm allerdings keine garantieren. Schliesslich musste ich meinem Chef eröffnen, dass er sich nächstens nach einem neuen Mitarbeiter umzusehen hatte. Vorausschauenderweise hatte ich auf Immobilienportalen auch schon ein passendes Blockhaus mitsamt See in Kanada für meinen nahenden vorzeitigen Ruhestand auserkoren.

Es kam, wie es kommen musste. Anstatt sich um meinen Nachfolger Gedanken zu machen, lächelte mir mein Chef ganz gelassen entgegen. Denn auch er hatte eine Mail von Henry Smith erhalten. Angesichts unserer komplett unterschiedlichen Familiennamen liess dies nur den Schluss zu, dass ich zum Narren gehalten wurde. Zugegeben, ein bisschen verdient hatte ich es ja. Wenn nicht wegen meiner Naivität, dann sicher wegen der Geringschätzung, die ich der deutschen Rechtschreibung für einen kurzen Moment entgegengebracht habe.

Nur gut, behielt ich die ganze Angelegenheit nicht «top secret». Den manchmal kann Reden eben doch Gold sein.

 

 

Es grüsst (wohl oder übel aus dem Büro)

eure Stella

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Dank meines Familiennamens - den ich hier aus Anonymitätsgründen im Übrigen nicht nennen möchte - glaubte ich mich kürzlich sehr bald schon reich. Unverschämt reich, um es genauer auszudrücken. Auf mein Konto hätte demnächst ein nettes Sümmchen in Millionenhöhe flattern sollen. Aber fangen wir erst einmal ganz von vorne an….

Vor ein paar Tagen schrieb mich übers Geschäftsmail ein Henry Smith an. Seines Zeichens Nachlassverwalter eines Klienten, der vor einiger Zeit plötzlich verstarb, ohne ein Testament oder einen Erben zu hinterlassen. Wie Smith schrieb, gelang es ihm auch nach intensiver Suche nicht, einen Erben zu finden, weshalb das Vermögen nun zu verschwinden drohte. An dieser Stelle brachte er meine Wenigkeit ins Spiel.

Offensichtlich war der Verstorbene Schweizer Abstammung und trug sogar denselben Nachnamen wie ich. Es könne also durchaus möglich sein, dass wir Schwippschwager oder sonst irgendwie entfernt verwandt seien, schrieb Henry Smith in nicht ganz korrektem Deutsch. Der genaue Verwandtschaftsgrad spiele aber ohnehin keine allzu grosse Rolle. Denn er brauche lediglich jemanden, den er zum Erben erklären könne. Ansonsten würde das Vermögen in Höhe von 18,5 Millionen Britischen Pfund wegfallen und ihm so sein Provisionsanteil von 40 Prozent des Erbes durch die Lappen gehen. Er bat mich, mich bei Interesse doch bitte umgehend bei ihm zu melden – und dabei natürlich Diskretion zu wahren.

Selbstverständlich war ich interessiert. Diskretion konnte ich ihm allerdings keine garantieren. Schliesslich musste ich meinem Chef eröffnen, dass er sich nächstens nach einem neuen Mitarbeiter umzusehen hatte. Vorausschauenderweise hatte ich auf Immobilienportalen auch schon ein passendes Blockhaus mitsamt See in Kanada für meinen nahenden vorzeitigen Ruhestand auserkoren.

Es kam, wie es kommen musste. Anstatt sich um meinen Nachfolger Gedanken zu machen, lächelte mir mein Chef ganz gelassen entgegen. Denn auch er hatte eine Mail von Henry Smith erhalten. Angesichts unserer komplett unterschiedlichen Familiennamen liess dies nur den Schluss zu, dass ich zum Narren gehalten wurde. Zugegeben, ein bisschen verdient hatte ich es ja. Wenn nicht wegen meiner Naivität, dann sicher wegen der Geringschätzung, die ich der deutschen Rechtschreibung für einen kurzen Moment entgegengebracht habe.

Nur gut, behielt ich die ganze Angelegenheit nicht «top secret». Den manchmal kann Reden eben doch Gold sein.

 

 

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