Reportage

Porträt

Zu Besuch in Salvan

Zu Besuch in Salvan

Zu Besuch in Salvan<br> mit Yves Fournier

Von der «Pierre Bergère» aus, einem neun Meter hohem Findling inmitten des Dorfes, hat man freien Blick über ganz Salvan. Die Gemeinde mit ihren 1 500 Einwohnern strotzt nur so vor ehrgeizigen Projekten. Yves Fournier ist unser heutiger Reisebegleiter und erzählt uns von der nagelneuen Schule, der sich im Umbau befindenden Eisbahn im Freizeitzentrum Le Tinderet, dem Tunnel und dem Aufzug, der den künftigen TMR-Bahnhof mit der Talstation der neuen Gondelbahn von La Creusaz verbinden wird. Hinzu kommt noch das Projekt des regionalen Naturparks Vallée du Trient, in dem sich sieben Gemeinden zur Erhaltung und Aufwertung des Naturerbes zusammengeschlossen haben. Die Dynamik dieser Gemeinde ist unübersehbar! Yves Fournier ist seit fast zehn Jahren Verantwortlicher für die allgemeinen Mittelschulen Sek II und Präsident der Marconi-Stiftung. In Begleitung dieses Historikers, der aus Salvan stammt, jedoch in Martinach lebt, erkunden wir das Dorf, das er als sein «kleines Paradies» bezeichnet.

 

Eine berühmte Persönlichkeit: Gugliermo Marconi

Die Marconi-Stiftung wurde 2004 offiziell gegründet mit dem Ziel, Guglielmo Marconis wissenschaftliches Erbe zu bewahren und zu würdigen. Marconis Technologie und thematische Ausstellungen mit Bezug zum Radio sind in einem symbolträchtigen Haus des Dorfes, im Radiomuseum, zu sehen.

Der italienische Erfinder, ohne nennenswerte akademische Ausbildung aber mit einer Leidenschaft für Physik und Schiffskommunikation, verbrachte den Sommer 1895 in Salvan, um seine Experimente voranzutreiben. Der Ort war damals für seine heilsame Luft bekannt und so führte der junge Funkpionier die ersten drahtlosen Telegrafieübertragungen von diesem Luftkurort aus durch, genauer gesagt vom Findling Pierre Bergère.

Mit der Hilfe von Maurice Gay-Balmaz, einem zehnjährigen Dorfbewohner, stellte sich Marconi mit seinem Sender auf den Findling, während sein junger Assistent mit einem Empfänger am Fusse des Felsens auf Signale wartete. Sie begannen vorerst mit Versuchen von kurzer Reichweite und vergrösserten dann allmählich die Entfernung, bis sie eine Distanz von bis zu 1,5 Kilometern zwischen der Pierre Bergère und Les Marécottes erreichten.

Nachdem man die Gemeinde Salvan in Italien mit Ehrungen überhäuft hatte, kam es zu einer Kehrtwende und zu einer Kontroverse, als seitens Italiens behauptet wurde, Marconi wäre gar nie in Salvan gewesen. Um die Geschehnisse im Wallis zu belegen, haben Yves Fournier und Professor Fred E. Gardiol von der EPFL ein umfangreiches, illustriertes Buch verfasst, das ab dem 14. Dezember erhältlich ist. Darin erinnern sie an den historischen und technischen Rahmen der Experimente in Salvan und widerlegen klar die blassen transalpinen Argumente.

 

 

 

 

Eine eigene Geschichte: die Titanic

Eine eigene Geschichte: die Titanic

In den Räumlichkeiten der Ausstellung kann auch ein beeindruckendes LEGO-Modell der Titanic im Massstab 1:90 bewundert werden, das Ergebnis einer dreijährigen Arbeit. Dieses einzigartige Modell wurde von Steeve Lonfat und seinem Sohn William gebaut. Es besteht aus 60 000 Steinen, wiegt 128 kg und ist drei Meter lang – eine genaue und besonders spektakuläre Nachbildung des Kreuzfahrtschiffs! Salvans Verbindung zur Titanic geht aber noch weiter. Alexis Bochatay, Nummer 2 in der Küche des Ozeandampfers, stammte aus dem Bergdorf. Nach seiner Lehre in Les Granges sur Salvan begann er, im Ausland zu arbeiten. «In Häusern, die gut bezahlten», erklärt Yves Fournier. «Er schickte seiner Familie jedes Jahr fast 2 000 Franken, was heutzutage etwas mehr als 40 000 Franken entspricht! Diese Summe macht die beträchtliche Erfahrung dieses jungen Wallisers in der Gastronomie deutlich.»

Leider hat er aber den Untergang nicht überlebt. Sein Grab befindet sich in der Nähe der Kirche von Salvan, auf dem Weg zur Pierre Bergère hinauf. «Wegen der Titanic-Manie wurde uns dringend geraten, den Grabstein zu entfernen und ihn an der Kirchenmauer zu befestigen, um Beschädigung oder gar Diebstahl zu verhindern», erklärt der Historiker.

 

 

Eine Anekdote: die Kirchglocke «Annette»

Wir setzen unsere Wanderung in Richtung Pierre Bergère fort. An der Kirche von Salvan vorbei kommt man nicht umhin, Léonard Gianadda zu erwähnen, denn der berühmte Walliser Kunstmäzen war tatsächlich ein echter «Salvaner». Leonards Grossvater Battista reiste nämlich einst von Martinach nach Salvan, um das hiesige Bürgerrecht zu beantragen, das er am 15. Juni 1916 schliesslich offiziell erhielt.

Ein symbolträchtiger Ort: die Pierre Bergère

Nach einem kurzen Anstieg über den Marconi-Pfad erreichen wir den Findling Pierre Bergère, ein Überbleibsel der Gletscher, der Schauplatz von Marconis Experimenten war. Der Findling ist heute eine Gedenkstätte mit drei Plaketten, die an Marconis historische Experimente erinnern und diese würdigen.

Die erste Tafel, ebenfalls von Léonard Gianadda gestiftet, ist den bahnbrechenden Experimenten, die Marconi 1895 in Salvan durchführte, gewidmet. Die zweite Tafel wurde Salvan 2003 vom Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) verliehen. Die weltbekannte Organisation erkannte die Pierre Bergère als einen «Milestone», einen historischen Meilenstein an, sozusagen als Ort, an dem ein bedeutendes wissenschaftliches Ereignis stattgefunden hat. Die dritte und prestigeträchtigste Tafel erhielt die Gemeinde Salvan für ihren Beitrag zum Erbe der Telekommunikation. «Diese Anerkennung durch die Internationale Fernmeldeunion (ITU) ist von grosser symbolischer Bedeutung, da die ITU die höchste Instanz der Welt in diesem Bereich ist», erklärt Yves Fournier.

 

 

Eine Legende? Colas Boteille, der furchtlose Wilderer

Als wir Yves Fournier nach einer Anekdote zu Salvan fragen, muss er nicht lange überlegen und erzählt uns von einer der unzähligen Taten von Colas Boteille, einem leidenschaftlichen Dieb und berüchtigtem Schmuggler, der vor nichts zurückschreckte.

Der Legende nach war Colas Bouteille ein Meister darin, das Gesetz zu umgehen. Sein Lieblingsplatz waren die steilen Berge um Salvan, wo er Gämsen und andere verbotene Wildtiere aufspürte. Seine Risikobereitschaft wurde ihm eines Tages jedoch fast zum Verhängnis, als er von einem Zöllner auf frischer Tat ertappt wurde. Colas trug eine frisch erlegte Gämse und sein Gewehr, als er sich auf einem schwindelerregenden Pfad in die Enge getrieben sah. Als der Zöllner ihn aufforderte, ihm zu folgen, soll der berühmte Colas der Legende nach zu ihm gesagt haben: «Gehen Sie vor, Herr Zöllner». Einen kräftigen Schlag mit der Schulter später war der Zöllner in der Leere verschwunden! So entkam Colas der Verhaftung und einer gewissen Verurteilung als Wiederholungstäter ...

 

Die Ausstellung « Die Titanic und Marconi » ist vom 15. Juli bis 15. August, täglich von 14.00 bis 18.00 Uhr geöffnet, sowie auf Anfrage unter der Nummer 079 347 12 50 (geführte Besuche für Gruppen).

 

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Zu Besuch

in La Bâtiaz

Zu Besuch à La Bâtiaz

Zu Besuch in La Bâtiaz <br> mit Sandra Moulin-Michellod

Seinen Namen verdankt das Quartier der Burg La Bâtiaz, eine Festung aus dem 13. Jahrhundert, die majestätisch über den Häusern von La Bâtiaz in den Himmel ragt. Sandra Moulin hat dank ihrer Grossmutter väterlicherseits einen besonderen Bezug zu diesem Ort, denn diese wohnte genau hier, am Chemin de la Chapelle.

 

 

Eine besondere Sehenswürdigkeit?

Die Kapelle Notre-Dame-de-Compassion

Besonders prunkvoll ist die Kapelle Notre-Dame-de-Compassion nicht, und doch ist sie nach wie vor eine beliebte Pilgerstätte. «Auch heute besuchen viele Menschen diese Kapelle, die Unserer lieben Frau der Barmherzigkeit gewidmet ist», erklärt Sandra Moulin-Michellod. Eine bemerkenswerte Sammlung an Votivtafeln zeugt von der Bedeutung dieser Gebetsstätte.  

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Als Sopranistin in einem Chor ist Sandra besonders von der Akustik der Kapelle angetan: «Der Klang hier ist ziemlich gut. Als ich klein war, kam ich mit meinen Cousins ab und zu zum Singen her.» 
Das Gebäude wurde 2014 mit der finanziellen Unterstützung von Léonard Gianadda renoviert und erstrahlt heute in neuem Glanz. Zudem erhielt es neue Fenster mit kunstvollen Glasmalereien von Pater Kim En Joong. «Sie sind sehr farbenfroh und bringen ein schönes Licht hinein», betont Sandra.

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Eine lohnende Wanderung?

Der Chemin du Château

Die Wanderung zur Burg La Bâtiaz hat es in sich: 70 Höhenmeter gilt es zu Fuss über den Chemin du Château zu überwinden. Dennoch ist dieser Weg bei den Einheimischen sehr beliebt. «Mir gefällt hier oben vor allem die Aussicht über ganz Martinach, die ist wirklich herrlich. Ich mag meine Stadt, und darum sehe ich sie mir auch gerne von oben an», verrät Sandra zwischen zwei Atemzügen./p>

Als ehemalige Spitzenbasketballerin fehlt es Sandra nicht an Ausdauer. Einmal in der Woche kommt Sandra zum Joggen zur Burg hinauf: «Von der Burg aus jogge ich Richtung Plan-Cerisier und wenn’s gut läuft, hänge ich am Schluss noch den Vitaparcours an».

Die Runde ist zehn Kilometer lang und somit perfekt, um in Form zu bleiben und sich auf Volksläufe wie die Corrida d’Octodure oder die Course de l’Escalade vorzubereiten: «Man läuft auf Asphalt, es geht auf und ab. Es ist also alles da, um sich optimal auf ein Rennen vorbereiten zu können». Die Runde lohnt sich aber auch für Spaziergänger ohne sportliche Ambitionen, die mit einer einzigartigen Aussicht belohnt werden.

 

Eine historische Begebenheit?

Das Debakel von Giétro 1818

Am 16. Juni 1818 bricht der Giétro-Gletscher ab und rund 20 Millionen Kubikmeter angestautes Wasser stürzen in den Wasserlauf der Dranse. Auch der 35 Kilometer flussabwärts liegende Ortsteil La Bâtiaz bleibt von der Flutwelle nicht verschont.

Noch immer ist die Katastrophe von Giétro in den Köpfen präsent. «Die alte Brücke von La Bâtiaz war besonders schwer getroffen und wurde von den Wassermassen mitgerissen», erzählt die Einheimische. Im Jahr 1829 wurde die Brücke mit ihrem charakteristischen Dach verstärkt und neu gebaut, und wird auch heute noch rege genutzt. «Die Infrastruktur war zerstört, Familien trauerten, Unternehmen gingen zugrunde. Doch die Menschen schafften es, sich nach diesem Drama wieder aufzurappeln; das ist es, was mir von diesem schrecklichen Ereignis geblieben ist».

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Der 200. Jahrestag der Katastrophe wurde mit einer Gedenkfeier begangen. «Zum Gedenken an den 200. Jahrestag gab es eine Nachstellung der Ereignisse und eine Gedenkmesse in der Kapelle von La Bâtiaz», erinnert sich Sandra.

 

 

Ein absolutes Muss?

Das Festival des 5 Continents

Das Festival des 5 Continents hat einen festen Platz in Sandras Terminkalender und findet jährlich zu Beginn der Sommerferien, und nur einen Katzensprung von La Bâtiaz entfernt statt. Seit ihrem ersten Besuch als junge Mutter ist Sandra Moulin-Michellod Feuer und Flamme: «Es gab einen Markt und einen Basar für die Kinder. Ich habe kulinarische Entdeckungen gemacht, wie zum Beispiel die albanische Küche, und auch musikalische. Die Leute kommen von überall her. Es ist ein sehr beliebtes Fest!».

Mittlerweile wurde Sandra in den Gemeinderat gewählt und kümmert sich als Politikerin um die sozialen und kulturellen Angelegenheiten der Stadt. Zum festlichen Aspekt des Festivals kommt aber auch eine andere Dimension hinzu: «In Martinach sind 108 Nationen vertreten, der Ausländeranteil beträgt 35 %. Das Festival spiegelt diese Diversität wider und trägt zum sozialen Zusammenhalt der Stadt bei. Das fördert das Gemeinschaftsgefühl».

2023 wird die 30. Ausgabe des Festival des 5 Continents über die Bühne gehen, und zwar vom 23. bis 24. Juni 2023 auf der Place du Manoir. Sandra wird natürlich dabei sein, keine Frage!

 

 

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