Reportage

Zu Besuch in Ayer

Zu Besuch Ayer

Zu Besuch in Ayer <br>mit Adrienne Melly

Oberhalb der Navisence, mit Blick auf einige der imposantesten Walliser Viertausender, liegt das malerische Dörfchen Ayer. Adrienne Melly, die im benachbarten Val d’Hérens aufgewachsen ist, verschlug es durch einen Studentenjob hierher: «Ich bin durch Zufall hier gelandet und habe mich sofort in das Dorf und die Landschaft verliebt». Mittlerweile nennt die Psychologin und Berufsberaterin des Berufsinformationszentrums Siders und der Orientierungsschule des Val d'Anniviers Ayer ihr Zuhause, wo sie mit ihrer Familie lebt. In Adrienne hat Ayer seine Botschafterin schlechthin gefunden, die uns auf unserer Entdeckungstour zu den Schätzen der Region begleitet: das Chalet Madeleine, den Gletscherwein, den Lehrpfad Zau Zoura und das Fronleichnamsfest.

 

Eine besondere Adresse: Das Chalet Madeleine

Das Chalet Madeleine ist ein altes Häuschen mitten im Herzen von Ayer. Teils aus Stein, teils aus Holz, fügt es sich idyllisch ins Ortsbild ein und ist mehr als einen Besuch wert. Hier öffnet sich die Tür zu einer eindrucksvollen Reise in die Vergangenheit, denn das 1579 erbaute Haus konnte bis heute in seinem Originalzustand erhalten bleiben. Gerade mal aus zwei Räumen besteht das Gebäude: eine Küche und ein Schlafzimmer, verbunden durch den obligaten Specksteinofen. Sogar Mobiliar und Einrichtungsgegenstände stammen grösstenteils noch aus der damaligen Zeit.

« Es ist ein echter Zeitzeuge im Massstab 1:1 der Häuser von damals, in denen es weder Strom noch fliessendes Wasser gab », erklärt Adrienne Melly.

Das Chalet trägt den Namen seiner letzten Bewohnerin Madeleine Viaccoz, die hier bis 1969 lebte und im Alter von 84 Jahren verstarb. « Obwohl Trinkwasser und Kochherde in den Häusern Einzug hielten, holte Madeleine weiterhin ihr Wasser aus dem Dorfbrunnen und kochte über dem Holzfeuer», liest man in der Broschüre « Parcours historiques d’Anniviers ».

 

Das historische Wohnhaus gehört heute zum Kulturerbe des Verkehrsvereins Ayer, der sich um seine Erhaltung und Aufwertung kümmert. « Unsere Zeit ist geprägt von Innovation und ständigem Wandel. Das Chalet Madeleine gibt unserer flüchtigen und unbeständigen Gegenwart eine andere Dimension. Man erkennt, dass die Realität vor nicht allzu langer Zeit noch ganz anders aussah », erklärt unsere Begleiterin. Das altehrwürdige Haus wird am 20. und 21. Juli 2024 anlässlich des Kulturerbe-Wochenendes im Val d’Anniviers geöffnet sein. Anmeldungen für eine Besichtigung des Chalet Madeleine können über die Website www.annitrek.ch vorgenommen werden.

 

Eine regionale Spezialität: Der Gletscherwein

Nächster Halt auf unserer Tour ist die Weinkellerei der Burgergemeinde von Ayer. Präsident Jean-Yves Melly erwartet uns schon für die Verkostung des berühmten Tranks aus dem Val d’Anniviers: dem Gletscherwein.« Man trinkt nicht einfach einen Wein, es ist eine ganze Tradition, eine Geschichte », betont er gleich zu Beginn und reicht uns ein erstes Glas des goldenen Tropfens. « Geschmacklich erinnert er an Madeirawein oder den Vin Jaune aus dem Jura», erklärt uns Jean-Yves-Melly. Gletscherwein kann man nicht kaufen, weder im Geschäft noch im Restaurant. Man verkostet ihn in der Kellerei, direkt aus dem Fass. «Schaut euch um! Sind wir nicht an einem ganz besonderen Ort, mit den ganzen Zinnkannen, Weinfässern und Käselaiben? Jedes Mal werde ich ganz ehrfürchtig, wenn ich Gelegenheit habe, diesen Wein zu kosten », erklärt unsere Begleiterin. Üblicherweise wird der Gletscherwein nur zu Ende eines Besuchs und in kleinen Mengen ausgeschenkt.

Ein Fass Gletscherwein enthält normalerweise die Rebsorten Rèze oder Ermitage. Seine Besonderheit ist, dass die Fässer immer von Neuem bis zum Rand gefüllt werden. «Wenn man Gletscherwein ausschenkt, füllt man danach das, was gezapft wurde, mit neuem Wein auf. So vermischen sich die Jahrgänge untereinander», erklärt der Burgerpräsident. Drei Fässer Vin du Glacier lagern in der Kellerei von Ayer. Das älteste stammt aus dem Jahr 1727 und enthält 900 Liter Rèze, wobei die Basis hundert Jahre alt ist.

Der geschichtswürdige Tropfen wurde nun sogar in seiner eigenen Monographie verewigt mit dem Titel: «Vin du Glacier, à la découverte d’un grand vin», erschienen beim Verlag Editions Monographic. Die Autoren vermuten, dass «der Wein Gletscherwein genannt wurde, da dieser aus dem Tal in die Berge, also in die Nähe der Gletscher, gebracht wurde»

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Porträt

Gefürchteter Eindringling: Jagd auf den Japankäfer

Reportage Gefürchteter Eindringling: Jagd auf den Japankäfer

Tausende gefangene Käfer

Auf der Südseite des Simplons leert Fabienne Ruff die Fallen, die zum Fangen des Japankäfers aufgestellt wurden. Dazu wurden rund dreissig Standorte errichtet. Es ist Mittwoch und somit Sammeltag. «Einmal pro Woche gehe ich die Fallen durch. Die gefangenen Insekten fülle ich in einen Beutel um, auf dem ich das Datum und den Fangort vermerke», erklärt sie. Der heutige Fang ist beachtlich: zwischen dem Simplonpass und Gondo wurden etwa 4000 Schädlinge eingesammelt. Der exotische Japankäfer zeichnet sich durch seine weissen Borstenbüschel aus, ist aber 2 bis 3 mm kleiner als sein einheimischer Verwandter, der Kleine Julikäfer.

 
 

 
 

Staatsfeind Nr. 1

Er ist zwar klein, aber äusserst gefrässig und vor allem extrem polyphag, was so viel bedeutet wie: Er frisst alles, was ihm unterkommt, oder zumindest fast alles. Der gefürchtete Schädling ernährt sich von mehr als 400 verschiedenen Pflanzenarten. Die ausgewachsenen Käfer fressen Blätter, Früchte und Blüten. Sie befallen insbesondere Apfelbäume, Steinobstbäume und Weinreben. Die Larven wiederum ernähren sich von Wurzeln. Von allen invasiven Tierarten im Wallis gilt der Japankäfer als Staatsfeind Nr. 1. «Er stellt wirklich eine grosse Gefahr für die Schweiz und Europa dar», warnt Georg Bregy, Adjunkt und Stellvertreter des Chefs der Dienststelle für Landwirtschaft. «Wenn er sich ausbreitet, kann er erhebliche Schäden in der Landwirtschaft, in den Wäldern und auf Grünflächen anrichten.»

Der Simplon als vorderste Front

Im Wallis ist der Südhang des Simplons die vorderste Front. Die ersten Exemplare dieses ungebetenen Gastes wurden 2023 in der Nähe von Gondo gesichtet, wo sie von Italien herkamen. «Sie landeten 2014 in der Lombardei, unweit des Flughafens Malpensa, der eine Drehscheibe des Luftverkehrs ist. Es ist wahrscheinlich, dass diese Besiedlung von Japankäfern stammt, die mit dem Flugzeug nach Italien gelangten», erklärt Georg Bregy. Es handelt sich also um blinde Passagiere, die in der Fracht, in einem Koffer oder unter der Kleidung von Touristen versteckt waren. Die Anekdote mag zum Schmunzeln anregen, für die Gemeinden Simplon und Zwischbergen ist diese Invasion jedoch eine ernste Angelegenheit, denn die Region gilt heute als Befallszone.

Sie landeten 2014 in der Lombardei, unweit des Flughafens Malpensa, der eine Drehscheibe des Luftverkehrs ist. Es ist wahrscheinlich, dass diese Besiedlung von Japankäfern stammt, die mit dem Flugzeug nach Italien gelangten

 
 

In Schach halten statt ausrotten

Fabienne Ruff verbringt bereits den zweiten Sommer damit, die unerwünschten Schädlinge zu dezimieren. Die Umweltingenieurin ist für acht Monate beim Amt für Rebbau und Wein angestellt. In Simplon ist die Verbreitung so weit fortgeschritten, dass eine Ausrottung nicht mehr möglich ist: Nun geht es darum, die Schädlinge in Schach zu halten und ihre Verbreitung einzudämmen. Die Fangaktion begann Mitte Juni und wird bis Oktober andauern. Dazu werden zwei Methoden eingesetzt: Trichter mit Auffangbehältern und Netze. «In beiden Fällen werden die Japankäfer durch den Geruch von Pheromonen oder Nahrung angelockt. Beide Fallen sind wirksam, aber nur mit ersterer lässt sich die Anzahl der getöteten Insekten auch beziffern», erklärt die Expertin.

Einfrieren und wiegen

Nachdem die Trichterfallen geleert sind, werden die gefangenen Käfer in den Säckchen zur Landwirtschaftsschule in Visp gebracht. Dort kommen sie in den Tiefkühler, wo sie mindestens 12 Stunden bleiben, bevor sie gewogen werden. «Eingefroren können sie nicht mehr versehentlich in die Natur entkommen», erklärt Fabienne. Anhand des Gewichts der Beute lässt sich dann die Anzahl der gefangenen Tiere bestimmen. «Sie einzeln zu zählen, würde viel zu lange dauern. Da ein Japankäfer etwa 0,05 Gramm wiegt, lässt sich der Inhalt eines Beutels leicht schätzen».

 
 

Der Simplon, ein Freiluftlabor

Im Jahr 2024 wurden am Simplon nicht weniger als 84'000 Japankäfer gefangen. In diesem Jahr scheint der Befall geringer zu sein, denn Mitte Juli sind die Fangzahlen rückläufig, und auch die Schäden an der Vegetation nehmen ab. Dennoch gilt es keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, denn das Insekt ist nicht zwangsläufig auf dem Rückzug. Ganz im Gegenteil. Das Phänomen erklärt sich durch seinen Lebenszyklus: «In den Höhenlagen bleibt der Boden länger gefroren. Daher kann es sein, dass der Käfer hier einen zweijährigen Zyklus zwischen seinem Ei- und Ausgewachsenenstadium hat, während dieser in der Ebene nur ein Jahr dauert. Um Gewissheit zu haben, müssen wir bis 2026 warten», erklärt Fabienne. Georg Bregy fügt hinzu: «Die Situation ist neu. Meines Wissens ist es das erste Mal, dass der Japankäfer eine Bergregion besiedelt. Wir müssen also noch vieles über ihn lernen.»

In den Höhenlagen bleibt der Boden länger gefroren. Daher kann es sein, dass der Käfer hier einen zweijährigen Zyklus zwischen seinem Ei- und Ausgewachsenenstadium hat, während dieser in der Ebene nur ein Jahr dauert. Um Gewissheit zu haben, müssen wir bis 2026 warten

Ein aussichtsloser Kampf?

In ihren Prognosen rechnet die Dienststelle für Landwirtschaft spätestens in zwei Jahren mit einem deutlichen Anstieg der Population der Japankäfer im Wallis, was ein erhöhtes Risiko für die landwirtschaftlichen Kulturflächen mit sich bringt. Ist der Kampf angesichts der Situation am Simplon nicht eigentlich schon verloren?

Georg Bregy gibt sich noch nicht geschlagen: «Wir wissen, dass es ernst ist. Ich bin Realist, Panik ist nicht angebracht. Die Landwirtschaft hatte schon immer Krisen zu bewältigen, und jedes Mal haben wir Lösungen gefunden. Aber neue Schadorganismen bedeuten für die Landwirtschaft zusätzliche Kosten.»

Am Simplon geht die Jagd weiter. Jeder Fang liefert neue Erkenntnisse über einen gefürchteten Schädling und ist somit entscheidend, um seine Ausbreitung bestmöglich einzudämmen.

 

Wir wissen, dass es ernst ist. Ich bin Realist, Panik ist nicht angebracht. Die Landwirtschaft hatte schon immer Krisen zu bewältigen, und jedes Mal haben wir Lösungen gefunden. Aber neue Schadorganismen bedeuten für die Landwirtschaft zusätzliche Kosten.   

Espèces animales envahissantes en Valais.  

Trois questions à Georg Bregy

Seit 2018 ist die Arbeitsgruppe «Neozoen» innerhalb der Kantonsverwaltung tätig. Ihre Aufgabe ist es, dem Staatsrat und den betroffenen Dienststellen Massnahmen zum Umgang mit invasiven Arten, seien es Pflanzen oder Tiere, vorzuschlagen.

Georg Bregy, Vorsitzender der Arbeitsgruppe, koordiniert die staatlichen Massnahmen in diesem Bereich.

  • Welche invasiven Tierarten gibt es im Wallis?
    Neben dem Japankäfer sind auch die Tigermücke, die asiatische Hornisse, die Ameise Tapinoma magnum und die Quagga-Muschel zu nennen. Der Bund stuft diese Lebewesen nach ihrem Schädlichkeitsgrad ein. Der Japankäfer steht ganz oben auf der Liste, die Quagga-Muschel hingegen stellt im Wallis voraussichtlich ein geringeres Problem dar.

  • Wer koordiniert die Bekämpfung in der Schweiz: die Kantone oder der Bund?
    Das hängt von der Art ab. Für den Japankäfer, der als prioritärer Quarantäneorganismus eingestuft ist, legt der Bund die Strategie und die anzuwendenden Massnahmen fest. Die Kantone setzen diese dann um und passen sie an die Gegebenheiten vor Ort an. In diesem Fall übernimmt der Bund auch die Hälfte der Kosten.
    Für die vier anderen genannten Arten, die als weniger gefährlich eingestuft werden, ist der Kanton zuständig. Meiner Meinung nach ist dieses System jedoch nicht optimal. Besser wäre es, wenn der Bund alle Massnahmen unabhängig von der betroffenen Art steuern würde. Das wäre kohärenter und effizienter. Die aktuelle Revision des Bundesgesetzes über den Umweltschutz sollte in diese Richtung gehen.

  • Was erwarten Sie von der Bevölkerung?
    Vor allem Wachsamkeit. Wer in einem vom Japankäfer befallenen Gebiet unterwegs war, sollte nach seiner Rückkehr sein Gepäck und seine Kleidung untersuchen, um eine versehentliche Verbreitung zu vermeiden.
    Ausserdem ist jede und jeder Einzelne aufgerufen, verdächtige Organismen zu melden. Sollte sich die Meldung als unbegründet herausstellen, ist das nicht weiter schlimm, im Gegenteil: Wichtig ist, dass man lernt, diese Arten zu erkennen und die Augen offen zu halten. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen, um diese Invasionen einzudämmen.

 

 

Weitere Informationen:

vs.ch/especes-envahissantes

 

 

 

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Zu Besuch

Gefürchteter Eindringling: Jagd auf den Japankäfer

Reportage Gefürchteter Eindringling: Jagd auf den Japankäfer

Tausende gefangene Käfer

Auf der Südseite des Simplons leert Fabienne Ruff die Fallen, die zum Fangen des Japankäfers aufgestellt wurden. Dazu wurden rund dreissig Standorte errichtet. Es ist Mittwoch und somit Sammeltag. «Einmal pro Woche gehe ich die Fallen durch. Die gefangenen Insekten fülle ich in einen Beutel um, auf dem ich das Datum und den Fangort vermerke», erklärt sie. Der heutige Fang ist beachtlich: zwischen dem Simplonpass und Gondo wurden etwa 4000 Schädlinge eingesammelt. Der exotische Japankäfer zeichnet sich durch seine weissen Borstenbüschel aus, ist aber 2 bis 3 mm kleiner als sein einheimischer Verwandter, der Kleine Julikäfer.

 
 

 
 

Staatsfeind Nr. 1

Er ist zwar klein, aber äusserst gefrässig und vor allem extrem polyphag, was so viel bedeutet wie: Er frisst alles, was ihm unterkommt, oder zumindest fast alles. Der gefürchtete Schädling ernährt sich von mehr als 400 verschiedenen Pflanzenarten. Die ausgewachsenen Käfer fressen Blätter, Früchte und Blüten. Sie befallen insbesondere Apfelbäume, Steinobstbäume und Weinreben. Die Larven wiederum ernähren sich von Wurzeln. Von allen invasiven Tierarten im Wallis gilt der Japankäfer als Staatsfeind Nr. 1. «Er stellt wirklich eine grosse Gefahr für die Schweiz und Europa dar», warnt Georg Bregy, Adjunkt und Stellvertreter des Chefs der Dienststelle für Landwirtschaft. «Wenn er sich ausbreitet, kann er erhebliche Schäden in der Landwirtschaft, in den Wäldern und auf Grünflächen anrichten.»

Der Simplon als vorderste Front

Im Wallis ist der Südhang des Simplons die vorderste Front. Die ersten Exemplare dieses ungebetenen Gastes wurden 2023 in der Nähe von Gondo gesichtet, wo sie von Italien herkamen. «Sie landeten 2014 in der Lombardei, unweit des Flughafens Malpensa, der eine Drehscheibe des Luftverkehrs ist. Es ist wahrscheinlich, dass diese Besiedlung von Japankäfern stammt, die mit dem Flugzeug nach Italien gelangten», erklärt Georg Bregy. Es handelt sich also um blinde Passagiere, die in der Fracht, in einem Koffer oder unter der Kleidung von Touristen versteckt waren. Die Anekdote mag zum Schmunzeln anregen, für die Gemeinden Simplon und Zwischbergen ist diese Invasion jedoch eine ernste Angelegenheit, denn die Region gilt heute als Befallszone.

Sie landeten 2014 in der Lombardei, unweit des Flughafens Malpensa, der eine Drehscheibe des Luftverkehrs ist. Es ist wahrscheinlich, dass diese Besiedlung von Japankäfern stammt, die mit dem Flugzeug nach Italien gelangten

 
 

In Schach halten statt ausrotten

Fabienne Ruff verbringt bereits den zweiten Sommer damit, die unerwünschten Schädlinge zu dezimieren. Die Umweltingenieurin ist für acht Monate beim Amt für Rebbau und Wein angestellt. In Simplon ist die Verbreitung so weit fortgeschritten, dass eine Ausrottung nicht mehr möglich ist: Nun geht es darum, die Schädlinge in Schach zu halten und ihre Verbreitung einzudämmen. Die Fangaktion begann Mitte Juni und wird bis Oktober andauern. Dazu werden zwei Methoden eingesetzt: Trichter mit Auffangbehältern und Netze. «In beiden Fällen werden die Japankäfer durch den Geruch von Pheromonen oder Nahrung angelockt. Beide Fallen sind wirksam, aber nur mit ersterer lässt sich die Anzahl der getöteten Insekten auch beziffern», erklärt die Expertin.

Einfrieren und wiegen

Nachdem die Trichterfallen geleert sind, werden die gefangenen Käfer in den Säckchen zur Landwirtschaftsschule in Visp gebracht. Dort kommen sie in den Tiefkühler, wo sie mindestens 12 Stunden bleiben, bevor sie gewogen werden. «Eingefroren können sie nicht mehr versehentlich in die Natur entkommen», erklärt Fabienne. Anhand des Gewichts der Beute lässt sich dann die Anzahl der gefangenen Tiere bestimmen. «Sie einzeln zu zählen, würde viel zu lange dauern. Da ein Japankäfer etwa 0,05 Gramm wiegt, lässt sich der Inhalt eines Beutels leicht schätzen».

 
 

Der Simplon, ein Freiluftlabor

Im Jahr 2024 wurden am Simplon nicht weniger als 84'000 Japankäfer gefangen. In diesem Jahr scheint der Befall geringer zu sein, denn Mitte Juli sind die Fangzahlen rückläufig, und auch die Schäden an der Vegetation nehmen ab. Dennoch gilt es keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, denn das Insekt ist nicht zwangsläufig auf dem Rückzug. Ganz im Gegenteil. Das Phänomen erklärt sich durch seinen Lebenszyklus: «In den Höhenlagen bleibt der Boden länger gefroren. Daher kann es sein, dass der Käfer hier einen zweijährigen Zyklus zwischen seinem Ei- und Ausgewachsenenstadium hat, während dieser in der Ebene nur ein Jahr dauert. Um Gewissheit zu haben, müssen wir bis 2026 warten», erklärt Fabienne. Georg Bregy fügt hinzu: «Die Situation ist neu. Meines Wissens ist es das erste Mal, dass der Japankäfer eine Bergregion besiedelt. Wir müssen also noch vieles über ihn lernen.»

In den Höhenlagen bleibt der Boden länger gefroren. Daher kann es sein, dass der Käfer hier einen zweijährigen Zyklus zwischen seinem Ei- und Ausgewachsenenstadium hat, während dieser in der Ebene nur ein Jahr dauert. Um Gewissheit zu haben, müssen wir bis 2026 warten

Ein aussichtsloser Kampf?

In ihren Prognosen rechnet die Dienststelle für Landwirtschaft spätestens in zwei Jahren mit einem deutlichen Anstieg der Population der Japankäfer im Wallis, was ein erhöhtes Risiko für die landwirtschaftlichen Kulturflächen mit sich bringt. Ist der Kampf angesichts der Situation am Simplon nicht eigentlich schon verloren?

Georg Bregy gibt sich noch nicht geschlagen: «Wir wissen, dass es ernst ist. Ich bin Realist, Panik ist nicht angebracht. Die Landwirtschaft hatte schon immer Krisen zu bewältigen, und jedes Mal haben wir Lösungen gefunden. Aber neue Schadorganismen bedeuten für die Landwirtschaft zusätzliche Kosten.»

Am Simplon geht die Jagd weiter. Jeder Fang liefert neue Erkenntnisse über einen gefürchteten Schädling und ist somit entscheidend, um seine Ausbreitung bestmöglich einzudämmen.

 

Wir wissen, dass es ernst ist. Ich bin Realist, Panik ist nicht angebracht. Die Landwirtschaft hatte schon immer Krisen zu bewältigen, und jedes Mal haben wir Lösungen gefunden. Aber neue Schadorganismen bedeuten für die Landwirtschaft zusätzliche Kosten.   

Espèces animales envahissantes en Valais.  

Trois questions à Georg Bregy

Seit 2018 ist die Arbeitsgruppe «Neozoen» innerhalb der Kantonsverwaltung tätig. Ihre Aufgabe ist es, dem Staatsrat und den betroffenen Dienststellen Massnahmen zum Umgang mit invasiven Arten, seien es Pflanzen oder Tiere, vorzuschlagen.

Georg Bregy, Vorsitzender der Arbeitsgruppe, koordiniert die staatlichen Massnahmen in diesem Bereich.

  • Welche invasiven Tierarten gibt es im Wallis?
    Neben dem Japankäfer sind auch die Tigermücke, die asiatische Hornisse, die Ameise Tapinoma magnum und die Quagga-Muschel zu nennen. Der Bund stuft diese Lebewesen nach ihrem Schädlichkeitsgrad ein. Der Japankäfer steht ganz oben auf der Liste, die Quagga-Muschel hingegen stellt im Wallis voraussichtlich ein geringeres Problem dar.

  • Wer koordiniert die Bekämpfung in der Schweiz: die Kantone oder der Bund?
    Das hängt von der Art ab. Für den Japankäfer, der als prioritärer Quarantäneorganismus eingestuft ist, legt der Bund die Strategie und die anzuwendenden Massnahmen fest. Die Kantone setzen diese dann um und passen sie an die Gegebenheiten vor Ort an. In diesem Fall übernimmt der Bund auch die Hälfte der Kosten.
    Für die vier anderen genannten Arten, die als weniger gefährlich eingestuft werden, ist der Kanton zuständig. Meiner Meinung nach ist dieses System jedoch nicht optimal. Besser wäre es, wenn der Bund alle Massnahmen unabhängig von der betroffenen Art steuern würde. Das wäre kohärenter und effizienter. Die aktuelle Revision des Bundesgesetzes über den Umweltschutz sollte in diese Richtung gehen.

  • Was erwarten Sie von der Bevölkerung?
    Vor allem Wachsamkeit. Wer in einem vom Japankäfer befallenen Gebiet unterwegs war, sollte nach seiner Rückkehr sein Gepäck und seine Kleidung untersuchen, um eine versehentliche Verbreitung zu vermeiden.
    Ausserdem ist jede und jeder Einzelne aufgerufen, verdächtige Organismen zu melden. Sollte sich die Meldung als unbegründet herausstellen, ist das nicht weiter schlimm, im Gegenteil: Wichtig ist, dass man lernt, diese Arten zu erkennen und die Augen offen zu halten. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen, um diese Invasionen einzudämmen.

 

 

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Gefürchteter Eindringling: Jagd auf den Japankäfer

Reportage Gefürchteter Eindringling: Jagd auf den Japankäfer

Tausende gefangene Käfer

Auf der Südseite des Simplons leert Fabienne Ruff die Fallen, die zum Fangen des Japankäfers aufgestellt wurden. Dazu wurden rund dreissig Standorte errichtet. Es ist Mittwoch und somit Sammeltag. «Einmal pro Woche gehe ich die Fallen durch. Die gefangenen Insekten fülle ich in einen Beutel um, auf dem ich das Datum und den Fangort vermerke», erklärt sie. Der heutige Fang ist beachtlich: zwischen dem Simplonpass und Gondo wurden etwa 4000 Schädlinge eingesammelt. Der exotische Japankäfer zeichnet sich durch seine weissen Borstenbüschel aus, ist aber 2 bis 3 mm kleiner als sein einheimischer Verwandter, der Kleine Julikäfer.

 
 

 
 

Staatsfeind Nr. 1

Er ist zwar klein, aber äusserst gefrässig und vor allem extrem polyphag, was so viel bedeutet wie: Er frisst alles, was ihm unterkommt, oder zumindest fast alles. Der gefürchtete Schädling ernährt sich von mehr als 400 verschiedenen Pflanzenarten. Die ausgewachsenen Käfer fressen Blätter, Früchte und Blüten. Sie befallen insbesondere Apfelbäume, Steinobstbäume und Weinreben. Die Larven wiederum ernähren sich von Wurzeln. Von allen invasiven Tierarten im Wallis gilt der Japankäfer als Staatsfeind Nr. 1. «Er stellt wirklich eine grosse Gefahr für die Schweiz und Europa dar», warnt Georg Bregy, Adjunkt und Stellvertreter des Chefs der Dienststelle für Landwirtschaft. «Wenn er sich ausbreitet, kann er erhebliche Schäden in der Landwirtschaft, in den Wäldern und auf Grünflächen anrichten.»

Der Simplon als vorderste Front

Im Wallis ist der Südhang des Simplons die vorderste Front. Die ersten Exemplare dieses ungebetenen Gastes wurden 2023 in der Nähe von Gondo gesichtet, wo sie von Italien herkamen. «Sie landeten 2014 in der Lombardei, unweit des Flughafens Malpensa, der eine Drehscheibe des Luftverkehrs ist. Es ist wahrscheinlich, dass diese Besiedlung von Japankäfern stammt, die mit dem Flugzeug nach Italien gelangten», erklärt Georg Bregy. Es handelt sich also um blinde Passagiere, die in der Fracht, in einem Koffer oder unter der Kleidung von Touristen versteckt waren. Die Anekdote mag zum Schmunzeln anregen, für die Gemeinden Simplon und Zwischbergen ist diese Invasion jedoch eine ernste Angelegenheit, denn die Region gilt heute als Befallszone.

Sie landeten 2014 in der Lombardei, unweit des Flughafens Malpensa, der eine Drehscheibe des Luftverkehrs ist. Es ist wahrscheinlich, dass diese Besiedlung von Japankäfern stammt, die mit dem Flugzeug nach Italien gelangten

 
 

In Schach halten statt ausrotten

Fabienne Ruff verbringt bereits den zweiten Sommer damit, die unerwünschten Schädlinge zu dezimieren. Die Umweltingenieurin ist für acht Monate beim Amt für Rebbau und Wein angestellt. In Simplon ist die Verbreitung so weit fortgeschritten, dass eine Ausrottung nicht mehr möglich ist: Nun geht es darum, die Schädlinge in Schach zu halten und ihre Verbreitung einzudämmen. Die Fangaktion begann Mitte Juni und wird bis Oktober andauern. Dazu werden zwei Methoden eingesetzt: Trichter mit Auffangbehältern und Netze. «In beiden Fällen werden die Japankäfer durch den Geruch von Pheromonen oder Nahrung angelockt. Beide Fallen sind wirksam, aber nur mit ersterer lässt sich die Anzahl der getöteten Insekten auch beziffern», erklärt die Expertin.

Einfrieren und wiegen

Nachdem die Trichterfallen geleert sind, werden die gefangenen Käfer in den Säckchen zur Landwirtschaftsschule in Visp gebracht. Dort kommen sie in den Tiefkühler, wo sie mindestens 12 Stunden bleiben, bevor sie gewogen werden. «Eingefroren können sie nicht mehr versehentlich in die Natur entkommen», erklärt Fabienne. Anhand des Gewichts der Beute lässt sich dann die Anzahl der gefangenen Tiere bestimmen. «Sie einzeln zu zählen, würde viel zu lange dauern. Da ein Japankäfer etwa 0,05 Gramm wiegt, lässt sich der Inhalt eines Beutels leicht schätzen».

 
 

Der Simplon, ein Freiluftlabor

Im Jahr 2024 wurden am Simplon nicht weniger als 84'000 Japankäfer gefangen. In diesem Jahr scheint der Befall geringer zu sein, denn Mitte Juli sind die Fangzahlen rückläufig, und auch die Schäden an der Vegetation nehmen ab. Dennoch gilt es keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, denn das Insekt ist nicht zwangsläufig auf dem Rückzug. Ganz im Gegenteil. Das Phänomen erklärt sich durch seinen Lebenszyklus: «In den Höhenlagen bleibt der Boden länger gefroren. Daher kann es sein, dass der Käfer hier einen zweijährigen Zyklus zwischen seinem Ei- und Ausgewachsenenstadium hat, während dieser in der Ebene nur ein Jahr dauert. Um Gewissheit zu haben, müssen wir bis 2026 warten», erklärt Fabienne. Georg Bregy fügt hinzu: «Die Situation ist neu. Meines Wissens ist es das erste Mal, dass der Japankäfer eine Bergregion besiedelt. Wir müssen also noch vieles über ihn lernen.»

In den Höhenlagen bleibt der Boden länger gefroren. Daher kann es sein, dass der Käfer hier einen zweijährigen Zyklus zwischen seinem Ei- und Ausgewachsenenstadium hat, während dieser in der Ebene nur ein Jahr dauert. Um Gewissheit zu haben, müssen wir bis 2026 warten

Ein aussichtsloser Kampf?

In ihren Prognosen rechnet die Dienststelle für Landwirtschaft spätestens in zwei Jahren mit einem deutlichen Anstieg der Population der Japankäfer im Wallis, was ein erhöhtes Risiko für die landwirtschaftlichen Kulturflächen mit sich bringt. Ist der Kampf angesichts der Situation am Simplon nicht eigentlich schon verloren?

Georg Bregy gibt sich noch nicht geschlagen: «Wir wissen, dass es ernst ist. Ich bin Realist, Panik ist nicht angebracht. Die Landwirtschaft hatte schon immer Krisen zu bewältigen, und jedes Mal haben wir Lösungen gefunden. Aber neue Schadorganismen bedeuten für die Landwirtschaft zusätzliche Kosten.»

Am Simplon geht die Jagd weiter. Jeder Fang liefert neue Erkenntnisse über einen gefürchteten Schädling und ist somit entscheidend, um seine Ausbreitung bestmöglich einzudämmen.

 

Wir wissen, dass es ernst ist. Ich bin Realist, Panik ist nicht angebracht. Die Landwirtschaft hatte schon immer Krisen zu bewältigen, und jedes Mal haben wir Lösungen gefunden. Aber neue Schadorganismen bedeuten für die Landwirtschaft zusätzliche Kosten.   

Espèces animales envahissantes en Valais.  

Trois questions à Georg Bregy

Seit 2018 ist die Arbeitsgruppe «Neozoen» innerhalb der Kantonsverwaltung tätig. Ihre Aufgabe ist es, dem Staatsrat und den betroffenen Dienststellen Massnahmen zum Umgang mit invasiven Arten, seien es Pflanzen oder Tiere, vorzuschlagen.

Georg Bregy, Vorsitzender der Arbeitsgruppe, koordiniert die staatlichen Massnahmen in diesem Bereich.

  • Welche invasiven Tierarten gibt es im Wallis?
    Neben dem Japankäfer sind auch die Tigermücke, die asiatische Hornisse, die Ameise Tapinoma magnum und die Quagga-Muschel zu nennen. Der Bund stuft diese Lebewesen nach ihrem Schädlichkeitsgrad ein. Der Japankäfer steht ganz oben auf der Liste, die Quagga-Muschel hingegen stellt im Wallis voraussichtlich ein geringeres Problem dar.

  • Wer koordiniert die Bekämpfung in der Schweiz: die Kantone oder der Bund?
    Das hängt von der Art ab. Für den Japankäfer, der als prioritärer Quarantäneorganismus eingestuft ist, legt der Bund die Strategie und die anzuwendenden Massnahmen fest. Die Kantone setzen diese dann um und passen sie an die Gegebenheiten vor Ort an. In diesem Fall übernimmt der Bund auch die Hälfte der Kosten.
    Für die vier anderen genannten Arten, die als weniger gefährlich eingestuft werden, ist der Kanton zuständig. Meiner Meinung nach ist dieses System jedoch nicht optimal. Besser wäre es, wenn der Bund alle Massnahmen unabhängig von der betroffenen Art steuern würde. Das wäre kohärenter und effizienter. Die aktuelle Revision des Bundesgesetzes über den Umweltschutz sollte in diese Richtung gehen.

  • Was erwarten Sie von der Bevölkerung?
    Vor allem Wachsamkeit. Wer in einem vom Japankäfer befallenen Gebiet unterwegs war, sollte nach seiner Rückkehr sein Gepäck und seine Kleidung untersuchen, um eine versehentliche Verbreitung zu vermeiden.
    Ausserdem ist jede und jeder Einzelne aufgerufen, verdächtige Organismen zu melden. Sollte sich die Meldung als unbegründet herausstellen, ist das nicht weiter schlimm, im Gegenteil: Wichtig ist, dass man lernt, diese Arten zu erkennen und die Augen offen zu halten. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen, um diese Invasionen einzudämmen.

 

 

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Ratgeber

Gefürchteter Eindringling: Jagd auf den Japankäfer

Reportage Gefürchteter Eindringling: Jagd auf den Japankäfer

Tausende gefangene Käfer

Auf der Südseite des Simplons leert Fabienne Ruff die Fallen, die zum Fangen des Japankäfers aufgestellt wurden. Dazu wurden rund dreissig Standorte errichtet. Es ist Mittwoch und somit Sammeltag. «Einmal pro Woche gehe ich die Fallen durch. Die gefangenen Insekten fülle ich in einen Beutel um, auf dem ich das Datum und den Fangort vermerke», erklärt sie. Der heutige Fang ist beachtlich: zwischen dem Simplonpass und Gondo wurden etwa 4000 Schädlinge eingesammelt. Der exotische Japankäfer zeichnet sich durch seine weissen Borstenbüschel aus, ist aber 2 bis 3 mm kleiner als sein einheimischer Verwandter, der Kleine Julikäfer.

 
 

 
 

Staatsfeind Nr. 1

Er ist zwar klein, aber äusserst gefrässig und vor allem extrem polyphag, was so viel bedeutet wie: Er frisst alles, was ihm unterkommt, oder zumindest fast alles. Der gefürchtete Schädling ernährt sich von mehr als 400 verschiedenen Pflanzenarten. Die ausgewachsenen Käfer fressen Blätter, Früchte und Blüten. Sie befallen insbesondere Apfelbäume, Steinobstbäume und Weinreben. Die Larven wiederum ernähren sich von Wurzeln. Von allen invasiven Tierarten im Wallis gilt der Japankäfer als Staatsfeind Nr. 1. «Er stellt wirklich eine grosse Gefahr für die Schweiz und Europa dar», warnt Georg Bregy, Adjunkt und Stellvertreter des Chefs der Dienststelle für Landwirtschaft. «Wenn er sich ausbreitet, kann er erhebliche Schäden in der Landwirtschaft, in den Wäldern und auf Grünflächen anrichten.»

Der Simplon als vorderste Front

Im Wallis ist der Südhang des Simplons die vorderste Front. Die ersten Exemplare dieses ungebetenen Gastes wurden 2023 in der Nähe von Gondo gesichtet, wo sie von Italien herkamen. «Sie landeten 2014 in der Lombardei, unweit des Flughafens Malpensa, der eine Drehscheibe des Luftverkehrs ist. Es ist wahrscheinlich, dass diese Besiedlung von Japankäfern stammt, die mit dem Flugzeug nach Italien gelangten», erklärt Georg Bregy. Es handelt sich also um blinde Passagiere, die in der Fracht, in einem Koffer oder unter der Kleidung von Touristen versteckt waren. Die Anekdote mag zum Schmunzeln anregen, für die Gemeinden Simplon und Zwischbergen ist diese Invasion jedoch eine ernste Angelegenheit, denn die Region gilt heute als Befallszone.

Sie landeten 2014 in der Lombardei, unweit des Flughafens Malpensa, der eine Drehscheibe des Luftverkehrs ist. Es ist wahrscheinlich, dass diese Besiedlung von Japankäfern stammt, die mit dem Flugzeug nach Italien gelangten

 
 

In Schach halten statt ausrotten

Fabienne Ruff verbringt bereits den zweiten Sommer damit, die unerwünschten Schädlinge zu dezimieren. Die Umweltingenieurin ist für acht Monate beim Amt für Rebbau und Wein angestellt. In Simplon ist die Verbreitung so weit fortgeschritten, dass eine Ausrottung nicht mehr möglich ist: Nun geht es darum, die Schädlinge in Schach zu halten und ihre Verbreitung einzudämmen. Die Fangaktion begann Mitte Juni und wird bis Oktober andauern. Dazu werden zwei Methoden eingesetzt: Trichter mit Auffangbehältern und Netze. «In beiden Fällen werden die Japankäfer durch den Geruch von Pheromonen oder Nahrung angelockt. Beide Fallen sind wirksam, aber nur mit ersterer lässt sich die Anzahl der getöteten Insekten auch beziffern», erklärt die Expertin.

Einfrieren und wiegen

Nachdem die Trichterfallen geleert sind, werden die gefangenen Käfer in den Säckchen zur Landwirtschaftsschule in Visp gebracht. Dort kommen sie in den Tiefkühler, wo sie mindestens 12 Stunden bleiben, bevor sie gewogen werden. «Eingefroren können sie nicht mehr versehentlich in die Natur entkommen», erklärt Fabienne. Anhand des Gewichts der Beute lässt sich dann die Anzahl der gefangenen Tiere bestimmen. «Sie einzeln zu zählen, würde viel zu lange dauern. Da ein Japankäfer etwa 0,05 Gramm wiegt, lässt sich der Inhalt eines Beutels leicht schätzen».

 
 

Der Simplon, ein Freiluftlabor

Im Jahr 2024 wurden am Simplon nicht weniger als 84'000 Japankäfer gefangen. In diesem Jahr scheint der Befall geringer zu sein, denn Mitte Juli sind die Fangzahlen rückläufig, und auch die Schäden an der Vegetation nehmen ab. Dennoch gilt es keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, denn das Insekt ist nicht zwangsläufig auf dem Rückzug. Ganz im Gegenteil. Das Phänomen erklärt sich durch seinen Lebenszyklus: «In den Höhenlagen bleibt der Boden länger gefroren. Daher kann es sein, dass der Käfer hier einen zweijährigen Zyklus zwischen seinem Ei- und Ausgewachsenenstadium hat, während dieser in der Ebene nur ein Jahr dauert. Um Gewissheit zu haben, müssen wir bis 2026 warten», erklärt Fabienne. Georg Bregy fügt hinzu: «Die Situation ist neu. Meines Wissens ist es das erste Mal, dass der Japankäfer eine Bergregion besiedelt. Wir müssen also noch vieles über ihn lernen.»

In den Höhenlagen bleibt der Boden länger gefroren. Daher kann es sein, dass der Käfer hier einen zweijährigen Zyklus zwischen seinem Ei- und Ausgewachsenenstadium hat, während dieser in der Ebene nur ein Jahr dauert. Um Gewissheit zu haben, müssen wir bis 2026 warten

Ein aussichtsloser Kampf?

In ihren Prognosen rechnet die Dienststelle für Landwirtschaft spätestens in zwei Jahren mit einem deutlichen Anstieg der Population der Japankäfer im Wallis, was ein erhöhtes Risiko für die landwirtschaftlichen Kulturflächen mit sich bringt. Ist der Kampf angesichts der Situation am Simplon nicht eigentlich schon verloren?

Georg Bregy gibt sich noch nicht geschlagen: «Wir wissen, dass es ernst ist. Ich bin Realist, Panik ist nicht angebracht. Die Landwirtschaft hatte schon immer Krisen zu bewältigen, und jedes Mal haben wir Lösungen gefunden. Aber neue Schadorganismen bedeuten für die Landwirtschaft zusätzliche Kosten.»

Am Simplon geht die Jagd weiter. Jeder Fang liefert neue Erkenntnisse über einen gefürchteten Schädling und ist somit entscheidend, um seine Ausbreitung bestmöglich einzudämmen.

 

Wir wissen, dass es ernst ist. Ich bin Realist, Panik ist nicht angebracht. Die Landwirtschaft hatte schon immer Krisen zu bewältigen, und jedes Mal haben wir Lösungen gefunden. Aber neue Schadorganismen bedeuten für die Landwirtschaft zusätzliche Kosten.   

Espèces animales envahissantes en Valais.  

Trois questions à Georg Bregy

Seit 2018 ist die Arbeitsgruppe «Neozoen» innerhalb der Kantonsverwaltung tätig. Ihre Aufgabe ist es, dem Staatsrat und den betroffenen Dienststellen Massnahmen zum Umgang mit invasiven Arten, seien es Pflanzen oder Tiere, vorzuschlagen.

Georg Bregy, Vorsitzender der Arbeitsgruppe, koordiniert die staatlichen Massnahmen in diesem Bereich.

  • Welche invasiven Tierarten gibt es im Wallis?
    Neben dem Japankäfer sind auch die Tigermücke, die asiatische Hornisse, die Ameise Tapinoma magnum und die Quagga-Muschel zu nennen. Der Bund stuft diese Lebewesen nach ihrem Schädlichkeitsgrad ein. Der Japankäfer steht ganz oben auf der Liste, die Quagga-Muschel hingegen stellt im Wallis voraussichtlich ein geringeres Problem dar.

  • Wer koordiniert die Bekämpfung in der Schweiz: die Kantone oder der Bund?
    Das hängt von der Art ab. Für den Japankäfer, der als prioritärer Quarantäneorganismus eingestuft ist, legt der Bund die Strategie und die anzuwendenden Massnahmen fest. Die Kantone setzen diese dann um und passen sie an die Gegebenheiten vor Ort an. In diesem Fall übernimmt der Bund auch die Hälfte der Kosten.
    Für die vier anderen genannten Arten, die als weniger gefährlich eingestuft werden, ist der Kanton zuständig. Meiner Meinung nach ist dieses System jedoch nicht optimal. Besser wäre es, wenn der Bund alle Massnahmen unabhängig von der betroffenen Art steuern würde. Das wäre kohärenter und effizienter. Die aktuelle Revision des Bundesgesetzes über den Umweltschutz sollte in diese Richtung gehen.

  • Was erwarten Sie von der Bevölkerung?
    Vor allem Wachsamkeit. Wer in einem vom Japankäfer befallenen Gebiet unterwegs war, sollte nach seiner Rückkehr sein Gepäck und seine Kleidung untersuchen, um eine versehentliche Verbreitung zu vermeiden.
    Ausserdem ist jede und jeder Einzelne aufgerufen, verdächtige Organismen zu melden. Sollte sich die Meldung als unbegründet herausstellen, ist das nicht weiter schlimm, im Gegenteil: Wichtig ist, dass man lernt, diese Arten zu erkennen und die Augen offen zu halten. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen, um diese Invasionen einzudämmen.

 

 

Weitere Informationen:

vs.ch/especes-envahissantes

 

 

 

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