Reportage

Porträt

Pilgern für den guten Zweck

Porträt Pilgern für den guten Zweck

Spätestens seit Hape Kerkelings Bestseller «Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg» erfreuen sich Pilgerreisen immer grösserer Beliebtheit. Pilgern ist in. Für den Polizisten Raphaël Farquet bedeutet Pilgern aber weit mehr. Er möchte mit seiner Pilgerreise seinen Mitmenschen etwas zurückgeben. Anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Schweizer Garde in Rom im Jahr 2006 begaben sich zahlreiche ehemalige Gardisten ab Bellinzona auf den Frankenweg, auf die Spuren ihrer Vorfahren. Obwohl Farquet selbst früher Papst Johannes Paul II zu Dienste stand und das Interesse an einer solchen Erfahrung gross war, kam diese Reise für ihn zum damaligen Zeitpunkt nicht in Frage. «Meine Töchter waren noch zu klein. Aus familiärer und auch beruflicher Sicht konnte ich mich nicht einfach so für zwei Monate am Stück verabschieden», sagt er.

 

 

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

«Ich bin 1997 der Schweizer Garde beigetreten. So erschien es mir legitim, mein 20-jähriges Jubiläum mit dieser Pilgerreise zu krönen. Denn jeder Christ sollte mindestens einmal im Leben zu Fuss nach Rom.» Nach reiflicher Überlegung und Rücksprache mit seiner Ehefrau entschloss er sich, die rund 1100 Kilometer lange Strecke zwischen seinem Wohnort Savièse und der ewigen Stadt in verschiedenen Einzeletappen auf zwei Jahre verteilt zu bewältigen. Seit August 2017 begibt er sich immer wieder auf den Frankenweg, oder wie dieser auf Italienisch heisst, die Via Francigena. Dabei wandert er zwischen zwei und zwölf Tagen und legt pro Tag durchschnittlich 30 Kilometer zurück. Für jede neue Etappe fährt er mit dem Zug zurück an den Ort, an dem er die letzte beendet hat und startet dann wieder zu Fuss.

 

 

Ich wollte mit dieser Pilgerreise gleichzeitig etwas Karitatives tun.

 

 

Diese Strapazen nimmt er gerne in Kauf, dienen sie doch einem guten Zweck. «Ich dachte, es sei etwas egoistisch, einen solchen Kraftakt zu bewältigen, ohne dabei etwas Karitatives zu tun. Also entschied ich, zugunsten des Vereins «Association romande des familles des enfants atteints du cancer (ARFEC)» zu laufen. Dieser unterstützt und begleitet Familien von Kindern, die an Krebs erkrankt sind während und nach deren Behandlungen.» Wer ihn bei seinem Vorhaben unterstützen möchte, kann dies durch eine Spende an den Verein tun.

 

 

 

 

Das Pilgern bietet Raphaël Farquet auch eine Möglichkeit, wieder zu sich zu finden. «Man kann sich Gedanken über sein eigenes Leben machen. An das denken, was man bereits geschafft hat, sei es auf privater oder beruflicher Ebene und an das, was man in Zukunft ändern möchte. Das Laufen gibt einem die nötige Zeit, sich intensiver mit sich und seinem Leben auseinanderzusetzen», erklärt er. Und manchmal stosse man auf dem Weg auch an seine eigenen Grenzen. «Auf einer der ersten Etappen trug ich weniger geeignete Schuhe. Ich hatte Blasen und die Füsse schmerzten wahnsinnig. Tags darauf konnte ich fast nicht mehr laufen. Doch anstatt mich zu beschweren rief ich mir immer wieder die kranken Kinder vor Augen. Setzte einen Fuss vor den anderen und lief einfach weiter.»

 

 

Anstatt mich zu beschweren, rief ich mir immer wieder die kranken Kinder vor Augen.

Ausser dass er fast ununterbrochen betet hat der 43-Jährige während seines Pilgeralltags kein besonderes Ritual. Allerdings versucht er jeden Tag, eine Messe zu besuchen. Sei es in Kapellen, Kirchen oder gar Kathedralen. In den Pfarreien kann er sich dabei gleichzeitig auch seinen Pilgerausweis, den «Credenziale» abstempeln lassen. Dieser Pass wiederum weist den Pilger als Romreisenden aus, wodurch er unterwegs von Ermässigungen und vereinfachten Zugängen zu Übernachtungsstätten profitieren kann.

 

 

 

 

Der einzige Wermutstropfen für den grossen Mittelalter- und Renaissance-Fan Farquet ist, dass er die vielen pittoresken Ortschaften unterwegs nicht ausgiebiger besichtigen kann. «Manchmal möchte ich gerne anhalten, um Museen, Kloster oder Schlösser zu besuchen. Aber die schönen Landschaften und Monumente unterwegs entschädigen dies ein wenig.»

 

Endspurt auf der Zielgeraden

Anfang Mai beendete er seine zweitletzte Etappe. Diese führte auf 150 Kilometern von Altopascio nach Buonconvento (Siena) durch die toskanische Hügellandschaft. Nun trennen ihn noch etwa 270 Kilometer von seinem Ziel. Den letzten grossen Abschnitt, der südlich von Siena durch die Toskana und die Region Latium an Hügeln, Olivenhainen und Laubwäldern vorbeiführt, nimmt Raphaël Farquet ab dem 14. Oktober in Angriff. Wenn auch dann alles planmässig verläuft, trifft er am Donnerstag, 24. Oktober gegen Mittag auf dem Petersplatz in Rom ein. Dort wird er von seiner Familie, seinen Freunden und von einer Delegation von Kindern mit ihren Familien der ARFEC begrüsst. Zum Abschluss wird er mit ihnen die Stadt besichtigen.

 

 

 

 

 

Der Frankenweg ist einer der bedeutendsten europäischen Pilgerwege. Er beginnt im englischen Canterbury in der Grafschaft Kent und führt durch Frankreich und die Westschweiz nach Rom. Im Jahr 2004 hat der Europarat die mittelalterliche Pilgerstrasse zur Kulturstrasse Europas erklärt. Seither wurde sie zu einem zusammenhängenden, beinahe 2000 Kilometer langen Wanderweg ausgebaut. Einer der ersten Pilger war Sigerich der Ernste, der Erzbischof von Canterbury. Im Jahr 990 machte er sich mit einem Maultier auf den Pilgerweg, um von Papst Johannes XV das Amtsabzeichen, das Pallium zu erhalten. Die aktuelle Reiseroute mit ihren 80 Etappen wurde von ihm übernommen.

 
Seine persönlichen Erfahrungen auf der Pilgerreise teilt Raphaël Farquet auf der Facebookseite «Via Francigena pour l’ARFEC» oder auf dem gleichnamigen Blog.

 

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