Medienmitteilung

Häusliche Gewalt - Umsetzung der Istanbul-Konvention schreitet im Wallis voran

04/08/2021 | Kantonales Amt für Gleichstellung und Familie

Nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, der sogenannten «Istanbul-Konvention», hatte der Staatsrat einen Aktionsplan erlassen. Dieser nimmt nun konkrete Form an. Kinder, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, Opfer und Tatpersonen werden inzwischen besser betreut und begleitet.

Durch die Istanbul-Konvention, die in der Schweiz am 1. April 2018 in Kraft getreten ist, werden der Bund und die Kantone dazu verpflichtet, konkrete Massnahmen zur Verhinderung von Gewalt gegenüber Frauen zu ergreifen, die Opfer zu schützen und die Tatpersonen zu verfolgen. Die Schweizerische Konferenz gegen Häusliche Gewalt (SKHG) hatte einen Bericht über die Umsetzung dieser Konvention verfasst. Dabei hatte sie im Auftrag der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) und der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren (SODK) den Stand der Dinge ermittelt und die Massnahmen, die in den Kantonen zu ergreifen sind, erfasst. Im September 2018 haben die KKJPD und die SODK dieses Dokument, das für die Kantone verpflichtend ist, validiert. Am 18. Juni 2021 ist auf nationaler Ebene der erste Bericht des Bundes über die Istanbul-Konvention erschienen. Die in diesem Bericht ausgeführten Beobachtungen werden von der unabhängigen Expertengruppe zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (GREVIO) geprüft werden. Diese Expertengruppe besucht im März 2022 die Schweiz und wird bis Ende 2022 ihre Empfehlungen abgeben.

Im Wallis wurde in Bezug auf die Istanbul-Konvention ein Aktionsplan erarbeitet, der vom Staatsrat am 17. April 2019 verabschiedet wurde. Dieser Aktionsplan enthält neun Interventionsachsen: integraler Ansatz bei Situationen häuslicher Gewalt, Schutz von Kindern, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, Aufnahme und Betreuung von Opfern und Familien, Begleitung der Tatpersonen, Sensibilisierung und Schulung des Fachnetzwerks, Prävention und Information, medizinische Versorgung, Unterstützung von Migrantinnen und Migranten sowie Sicherheit der Opfer.

Mittlerweile wurde ein Grossteil der Zielsetzungen aus diesem Aktionsplan realisiert oder befindet sich in der Umsetzung.

Umsetzung des Aktionsplans
Für die spezifische Betreuung der Kinder, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, wurden in den Opferhilfe-Beratungsstellen zwei Fachpersonen eingestellt, eine im Oberwallis und eine im Mittel- und Unterwallis. Für die Fachpersonen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen wurden Sensibilisierung-Kurse angeboten, insbesondere in den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB), bei der Polizei und in den Sozialmedizinischen Zentren (SMZ). Damit wurden über 700 Personen zu dieser Thematik geschult. Zurzeit dreht die Organisation A La Vista, in Zusammenarbeit mit anderen Westschweizer Kantonen, einen Film, der die Situation von Kindern aufzeigt, die zu Hause Gewalt zwischen ihren Eltern

miterleben müssen. Dieser Film soll im Lokalfernsehen ausgestrahlt, aber auch bei gezielten Präventionsaktionen gezeigt werden. Im September werden bei der Stiftung Astrame Gesprächsgruppen für Kinder, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, gestartet.

In den sozialen Medien wurde die Kampagne #Justsayit lanciert, mit der die Jugendlichen darauf aufmerksam gemacht werden sollen, gewaltfreie Paarbeziehungen einzugehen und zu führen. Zur Umsetzung des Programms Herzsprung wurden im Oberwallis und im Mittel- und Unterwallis je eine Koordinatorin angestellt. Ab dem kommenden Schuljahr wird im letzten Jahr der obligatorischen Schulzeit ein Herzsprung-Workshop in vier Modulen angeboten werden. Zwischen Ende 2021 und Anfang 2022 werden die OS-Schülerinnen und -Schüler in Brig, Siders, Sitten, Martinach und Monthey die Ausstellung Stärker als Gewalt besuchen. In diesem Rahmen wird ihnen ein Tool zur Selbstbeurteilung der eigenen Paarbeziehung angeboten, das vom Kantonalen Amt für Gleichstellung und Familie (KAGF) entwickelt wurde. In den Orientierungsschulen, den Freizeitzentren und den Organisationen aus dem Migrationsbereich ist nun die mehrsprachige Broschüre Wer entscheidet, wen du heiratest? aufgelegt. Darin finden Personen, die sich durch Zwangsheirat bedroht fühlen, Ratschläge und Adressen von unterstützenden Organisationen. Im Rahmen einer einjährigen Kampagne wurde das Fachnetzwerk zum Thema Zwangsheiraten sensibilisiert.

Die Betreuung und Begleitung der Opfer häuslicher Gewalt wurden verbessert: Die Opfer können ihre körperlichen Verletzungen fortan bei der neuen Abteilung für Gewaltmedizin des Spital Wallis in Siders medizinisch dokumentieren lassen. Durch die Eröffnung einer neuen Notunterkunft im Chablais konnte in dieser Region eine Lücke geschlossen werden. In allen Strukturen mit einem Leistungsauftrag des Staates wurde die Betreuung durch die Einführung von Pflichtenheften, Prozessen und Supervisionen sowie durch das Einsetzen einer Ansprechperson professionalisiert. Im Rahmen des Projekts FemmesTISCHE wurden Migrantinnen auf das Thema häusliche Gewalt aufmerksam gemacht.

Die Zahl der Tatpersonen, die das sozialtherapeutische Betreuungsprogramm zur Verhinderung von Wiederholungstaten durchlaufen haben, hat deutlich zugenommen: Wurden 2017 im ganzen Kanton noch 80 sozialtherapeutische Gespräche geführt, waren es 2020 bereits deren 283.

Die Arbeit des Netzwerks wurde durch die COVID-19-Pandemie gestört. Der integrale Ansatz, der in der Istanbul-Konvention einen wichtigen Stellenwert einnimmt, konnte durch zahlreiche Treffen des Netzwerks, erweiterte Formen der Zusammenarbeit und den Ausbau von Synergien nichtsdestotrotz schrittweise konkretisiert werden. Auch innerhalb der Kantonsverwaltung wurde rege zusammengearbeitet – innerhalb des Departements für Gesundheit, Soziales und Kultur (DGSK), wie auch mit dem Departement für Sicherheit, Institutionen und Sport (DSIS), das gewisse Projekte mitfinanziert. Schliesslich wurden für die Koordination der Bekämpfung häuslicher Gewalt zusätzliche Mittel gesprochen, sodass beim KAGF eine entsprechende Stelle geschaffen werden konnte.

Weniger als fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über häusliche Gewalt (GHG) am 1. Januar 2017 zieht der Kanton Wallis – obschon es noch viel zu tun gibt – eine positive Bilanz betreffend seine Bekämpfung häuslicher Gewalt.