Amt für digitale Bildung
„SkinnyTok Challenge“: Eine neue gefährliche TikTok-Challenge für die Gesundheit junger Menschen
Auf TikTok häufen sich Challenges, die zu unvernünftigen und gefährlichen Handlungen anregen. In diesem Fall handelt es sich um eine Herausforderung, die schwerwiegende Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen haben kann.
Zur Erinnerung:
- TikTok ist ein soziales Netzwerk mit dem empfohlenen Mindestalter von 13 Jahren. Da das Unternehmen seinen Sitz aber in China hat, hat diese Altersangabe in der Schweiz keine rechtliche Relevanz.
- Das soziale Netzwerk nutzt mit Hilfe von Algorithmen Suchtmechanismen maximal aus und macht keinen Hehl daraus, dass es sehr junge Kinder im Visier hat und diese dabei wenig moderierten und ungeeigneten Inhalten aussetzt.
Es ist nicht das erste Mal, dass TikTok von sich reden macht, denn dieses soziale Netzwerk ist bekannt für seine Challenges. Zu Beginn waren es einfache Tanzvideos, auf Choreografien basierend. Heute sind viele dieser Challenges gefährlich, manchmal sogar illegal. Sie verleiten Jugendliche dazu, sich zu filmen und mitzumachen – oft nur, um dazuzugehören. Dabei riskieren sie ihre Gesundheit, ihre Privatsphäre oder handeln gegen ihre eigenen Werte.
Was ist die „SkinnyTok Challenge“?
„SkinnyTok“ setzt sich aus dem englischen Wort ‚skinny‘ (dünn) und ‚Tok‘ (Abkürzung für Tiktok) zusammen. Es steht für einen Trend auf Tiktok, bei dem dünn sein und Methoden zum Gewichtsverlust glorifiziert werden. Hunderte von kurzen Videos verherrlichen extreme Schlankheit, fördern strenge Diäten, längere Fastenzeiten und Verhaltensweisen, die auf Essstörungen hindeuten.
Solche Tendenzen gibt es immer wieder: Beispielsweise die Pro-Ana-Bewegungen, die Magersucht und abnormale Gewichtsabnahme nicht als Krankheit, sondern als Lifestyle darstellen und die 2010 in amerikanischen sozialen Netzwerken und Blogs (z. B. Facebook und Skyblog) verboten wurden. Der Grund dafür war offensichtlich: Diese Bewegungen beeinflussten junge Menschen, indem sie extremes Abnehmen und den Verzicht auf Essen propagierten, um Teil einer Art Elite zu sein. Der Begriff "Thigh Gap", der sich auf den Abstand zwischen den Oberschenkeln bezieht, wurde häufig verwendet, um eine Person zu zeigen, die nicht dick ist. Die Regeln aus Amerika und Europa gelten leider nicht für das soziale Netzwerk in China. Durch den Filterblasen-Effekt gewinnen die Pro-Ana Gruppen zunehmend an Bedeutung.
Zur Erinnerung: Der Filterblasen-Effekt sorgt dafür, dass soziale Netzwerke dir ständig thematisch ähnliche Inhalte anzeigen, sobald du solche positiv bewertest. Es reicht also aus, dass ein junger Mensch ein Video vollständig ansieht, es mit „Gefällt mir“ markiert oder weiterleitet, damit der Algorithmus von TikTok das Thema als beliebt einstuft, zum Nachteil anderer Inhalte. Der Filterblasen-Effekt schadet der Meinungsvielfalt und schliesst Nutzer in abgeschottete Informationsblasen ein.
Warum ist die „SkinnyTok Challenge“ gefährlich?
TikTok ist laut Studien von James und Mike bei 12- bis 25-Jährigen und noch jüngeren Personen äusserst beliebt. Durch den Filterblasen-Effekt zeigt der Algorithmus ständig weitere Videos, die thematisch denen ähneln, die bereits angesehen wurden. Ein Jugendlicher, der sich ein Video über Ernährung ansieht, kann mit toxischen Inhalten überflutet werden, die Magersucht verherrlichen. Oft enthalten diese Videos Slogans, die Schuldgefühle auslösen sollen:
- - „Wenn du schlank sein möchtest, iss wenig.“
- - „Nichts schmeckt besser als das Gefühl, schlank zu sein.“
- - „Iss nicht, sei stolz.“
- - „Du bist nicht hässlich, du bist nur dick.“
- - „Dein Magen knurrt nicht, er applaudiert dir.“
- - „Kurzlebiger Genuss, ewige Reue.“
- - „Hör auf, dich mit Essen zu belohnen, du bist doch kein Hund.“
Solche Botschaften werden oft wiederholt und von vielen angepriesen. Sie beeinflussen junge Menschen stark. Das kann dazu führen, dass sie unzufrieden mit ihrem Körper werden, weniger Selbstvertrauen haben, sich müde und einsam fühlen oder sogar Essstörungen entwickeln.
Deshalb ist es wichtig, diese Filterblase zu verlassen und auf Veränderungen im Verhalten zu achten. Wie in der Serie «Adolescences» wissen Erwachsene oft nicht, was in sozialen Netzwerken abgeht. Viele Eltern und Lehrkräfte kennen TikTok und seine Mechanismen zu wenig.
SkinnyTok wirkt nicht wie eine der herkömmlichen Challenges, sondern beeinflusst Jugendliche unauffällig durch regelmässige Nachrichten und Videos im persönlichen Feed. So entsteht eine Lebenswelt, in der dünn sein verherrlicht wird und in der regelmässig gefährliche Tipps verbreitet werden.
Oft merkt man recht spät, dass sich das Verhalten oder die Stimmung der Jugendlichen verändert hat. Deshalb ist es wichtig, früh aufzuklären und über die Risiken zu informieren. Dabei kann man auch auf die Erfahrungen mit der Pro-Ana Bewegung zurückgreifen.
Worauf sollte man achten?
Ob Klassenkamerad, Lehrkraft, Schulleitung oder Eltern – jeder kann auf Veränderungen achten, die auf eine Essstörung hinweisen:
- Auffälliges Essverhalten, wie das Vermeiden von Mahlzeiten
- Gewichtsverlust oder starke Gewichtsschwankungen
- Stimmungsschwankungen und Reizbarkeit
- Negative Äusserungen über den eigenen Körper
- Häufige Toilettengänge
- Konzentrationsprobleme, Leistungsabfall, Müdigkeit
- Tragen von weiter Kleidung
Im schulischen Umfeld ist es wichtig zu wissen, dass Essstörungen keine «Modeerscheinung» sind, sondern Krankheiten, die zu erheblichen und dauerhaften körperlichen und psychischen Problemen führen. Schulen haben die Aufgabe, frühzeitig auf Warnzeichen zu achten, Informationen zu vermitteln und Prävention zu betreiben. Es gibt spezialisierte Beratungsstellen und Vereine, die Betroffene unterstützen oder Präventionsworkshops durchführen.
In jedem Fall ist es wichtig, Verhaltensänderungen oder den Gesundheitszustand der Schüler wahrzunehmen, einzuschätzen und allenfalls mit den Eltern zu sprechen.
Im familiären Umfeld sollten Eltern sich für TikTok und andere soziale Netzwerke interessieren, da dort gesundheitsschädliche Inhalte konsumiert werden können, wenn keine Kontrolle und keine Aufklärung stattfindet. Gespräche über die Gefahren und Risiken von digitalen Medien sind essenziell. Bei Bedenken können sich Eltern an die Schule wenden, um gemeinsam Unterstützung für das Kind zu organisieren.
Französische und europäische Behörden haben inzwischen reagiert und sie gehen gegen Verherrlichung von Magersucht vor. Inzwischen blendet TikTok auch dezente Warnhinweise bei solchen Inhalten ein. Solche Massnahmen bewirken oft wenig und werten den Trend sogar noch auf.
Das Problem bleibt: Soziale Netzwerke verbreiten und verstärken gefährliche Inhalte massiv. Was früher schwer auffindbar war, wird durch TikTok und Co. allgegenwärtig und kann für Jugendliche schnell zur Obsession werden, mit gravierenden Folgen für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden.
Weiterführende Informationen:
- Schweizerische Gesellschaft für Essstörungen
- Die Presse: Bei SkinnyTok geht es nur noch ums Dünnsein
- Der Spiegel : EU-Länder fordern Maßnahmen gegen Magertrend auf TikTok
- Sujet de la RTS : Quand TikTok remet à la mode le culte de la maigreur
- WDR : SkinnyTok - Lifestyle oder gefährlicher Trend?
Eric Fauchère - Amt für digitale Bildung - Mai 2025