Amt für digitale Bildung
Zizi Challenge auf TikTok
Anfang 2025 weisen die Behörden zahlreicher Länder auf eine neue, ebenso einfache wie destruktive Herausforderung auf TikTok hin. Es handelt sich um die sogenannte "Zizi Challenge", die sich innerhalb weniger Wochen viral verbreitet hat. Es geht darum, dass sich die Teilnehmer dabei filmen, wie sie ihre Geschlechtsteile entblössen, und dies anschliessend im sozialen Netzwerk veröffentlichen. In erster Linie sind Jungen im Alter von 7 bis 10 Jahren betroffen. Die potenziellen Konsequenzen sind erheblich und lassen die Frage aufkommen, ob soziale Netzwerke die Grenzen ausreichend setzen, um den Schutz ihrer Nutzer zu gewährleisten. Das Phänomen hat sich in Frankreich rasch verbreitet und es besteht die Möglichkeit, dass es auch in der Westschweiz an Bedeutung gewinnt. Nach unserem Kenntnisstand haben die Medien in der Deutschschweiz bislang noch nicht darüber berichtet.
Allein vor dem Bildschirm
Die «Zizi Challenge» besteht darin, eine scheinbar harmlose Szene zu filmen, in der das Kind plötzlich seine Geschlechtsteile entblösst, manchmal mit anzüglichen Gesten, und das Ganze in einem scheinbar harmlosen Video. Diese Videos werden dann auf Plattformen wie TikTok oder sogar YouTube mit dem Hashtag #zizichallenge geteilt (der kürzlich deaktiviert wurde und nun auf Präventionsseiten weiterleitet).
Die erste Beobachtung hängt mit dem Alter der Nutzer zusammen. Anfällig für solche Handlungen sind vor allem Jungen, die Zugang zu einem TikTok-Konto haben – dessen Altersgrenze laut Nutzungsbedingungen (Artikel 4.3) bei 13 Jahren liegt. Wie gelangen jüngere Kinder an einen Zugang? Indem sie bei der Angabe ihres Alters lügen oder ein bereits bestehendes Konto nutzen.
Die zweite Erkenntnis ist, dass die von Kindern und Jugendlichen genutzten Bildschirme oft Eltern gehören. Es muss daran erinnert werden, dass die Eltern rechtlich haftbar gemacht werden können.
Die dritte und noch wichtigere Feststellung ist die relative Vereinsamung von Kindern und Jugendlichen angesichts dieser Inhalte. Ob abends in ihrem Zimmer (wie in der Netflix-Serie „Adolescence“), im Bus oder beim Sport – es ist möglicherweise kein vertrauter Erwachsener in der Nähe, der kontrolliert, anleitet und erklärt, was online gesehen wird. So entsteht ein Raum, der hypervernetzt mit einer realitätsorientierten Welt ist und eine echte Distanz zu anderen Menschen, insbesondere zur Familie, schafft.
Das fast vollständige Fehlen von Moderation
Das andere grosse Problem besteht darin, dass soziale Netzwerke – allen voran TikTok – Inhalte NICHT vor ihrer Veröffentlichung moderieren. Angesichts der astronomischen Menge an Beiträgen und der geringen Mittel, die für die Kontrolle der Inhalte zur Verfügung stehen, müssen zuerst mehrere Meldungen von Nutzern eingehen, bevor die Plattformen das problematische Video analysieren und löschen.
Langfristig ist diese mangelnde Moderation katastrophal, da sie die Nutzer, insbesondere junge Menschen, nicht vor Gewalt, riskanten Praktiken, beleidigenden, fremdenfeindlichen oder homophoben Äusserungen, der Verherrlichung bestimmter Gedanken oder sexualisierten Inhalten schützt. Das ist nicht zu unterschätzen, denn der stetige Kontakt mit solchen Inhalten führt dazu, dass diese banalisiert werden – und dass etwas, das nicht in Ordnung ist, als „normal“ angesehen wird.
Das Fehlen jeglicher Moderation ist besonders schädlich für Nutzer, denen der kritische Umgang mit sozialen Netzwerken nicht beigebracht wurde und die ihre Identität durch Nachahmung sowie durch den Konsum weit verbreiteter Medieninhalte aufbauen.
Welche Risiken bestehen?
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Rechtslage: Die Verbreitung von sexuellen Darstellungen Minderjähriger ist strafbar, auch wenn das Kind selbst das Video gedreht hat. Dies wird mit Kinderpornografie gleichgesetzt. Das Gesetz verurteilt alle, die solche Darstellungen erstellen, weitergeben, zeigen oder besitzen. Auch gesetzliche Vertreter müssen mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.
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Sichtbarkeit für potenzielle Sexualstraftäter: Diese Inhalte können von Personen mit missbräuchlichen Absichten abgerufen werden, wodurch Kinder der Gefahr von Erpressung, Belästigung oder sexueller Ausbeutung ausgesetzt sind. Schlimmer noch, TikTok verfügt auch über versteckte Netzwerke von Nutzern, die Profile aufspüren, um sexualisierte Bilder von Kindern oder Jugendlichen zu sammeln und auszutauschen. Soziale Netzwerke dienen als Tummelplatz für Anhänger verbotener Inhalte, die sich in anderen, diskreteren Netzwerken austauschen.
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Rufschädigung und psychologische Auswirkungen: Kinder sind sich der Auswirkungen ihrer Handlungen nicht bewusst, weil sie Spass daran haben, Herausforderungen anzunehmen. Die Verbreitung eines intimen Bildes von sich selbst im Internet ist jedoch gleichbedeutend damit, dieses Bild an einem öffentlichen Ort wie einem Bahnhof oder einem Schulhof zu zeigen. Es vermittelt ein verzerrtes Bild von sich selbst, fördert Absichten, die nicht denen der Person entsprechen, und kann noch verheerendere Auswirkungen haben, wenn das Bild in anderen Kontexten wiederverwendet wird. Diese Auswirkungen können langfristig anhalten und sich auf die zukünftigen Liebes-, Intim- und sogar beruflichen Beziehungen des Kindes auswirken.
Wie damit umgehen?
Tipps für Eltern:
- Das Gespräch suchen. Unabhängig davon, vor welcher Herausforderung oder Versuchung das Kind online steht, sollten die Eltern das letzte Wort haben. Sie müssen Grenzen setzen und erklären, warum sie etwas gutheissen oder ablehnen.
- Grenzen setzen. Diese von den Eltern festgelegten Grenzen können sowohl technischer (Kindersicherung), als auch physischer (kein Handy im Zimmer oder Abschalten des WLANs zu bestimmten Zeiten) oder ethischer Natur sein (keine Beleidigungen, keine Likes für beleidigende Beiträge, darüber sprechen, wenn man sich unwohl fühlt ...).
- Sich engagieren: Die Eltern und Erziehungsberechtigten sollten sich unbedingt einbringen, wenn ihr Kind allein vor einem Bildschirm sitzt. Man muss kein Technik-Experte sein, aber es ist schon eine gute Idee, sich Zeit für sein Kind zu nehmen, wenn es vor dem Bildschirm sitzt.
- Sich informieren. Die Anmeldung bei einem sozialen Netzwerk oder einem anderen Online-Dienst ist nicht trivial. Über die gesammelten Daten hinaus gibt es alle möglichen Anreize und Aufforderungen, die Probleme verursachen können. Es ist notwendig, sich über das Mindestalter für soziale Netzwerke zu informieren, die Bedingungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu lesen und die Anwendung vorher selbst zu testen.
- Dem „Herdentrieb“ nicht nachgeben. Nur weil alle auf TikTok sind, muss Ihr Kind nicht auch dabei sein. Nur weil alle ein Foto von sich mit einem bestimmten KI-Filter bearbeitet haben, müssen Sie das nicht auch tun... Alles muss abgewogen und gut überlegt sein, insbesondere online. Meistens gibt es keinen triftigen oder dringenden Grund, das zu tun, was alle anderen tun... auch nicht, sich bei TikTok anzumelden und allein zu surfen.
Tipps für Bildungseinrichtungen:
Schulen spielen eine entscheidende Rolle bei der Prävention und Aufklärung über solche Phänomene. Diese lassen sich mitunter auf dem Schulhof durch Gesten, Mimik oder Äusserungen beobachten. Es ist daher wichtig zu beobachten, angemessen zu reagieren, ohne das Phänomen durch Kommunikation zu verstärken. So sollte beispielsweise in der Klasse mit den Schülern keinesfalls über die aktuelle Challenge gesprochen werden, um so ein Problem zu konstruieren, welches gar nicht existiert. Es ist jedoch notwendig, gemeinsam mit der Schulleitung, den Lehrern, den Schulkrankenschwestern, den Mediatoren und den Eltern klare Verhaltensregeln aufzustellen. Folgende Massnahmen können daher empfohlen werden:
- Regelmässige Sensibilisierung: Organisieren Sie regelmässig Informationsveranstaltungen für Schülerinnen und Schüler über die Gefahren von Online-Challenges und die Bedeutung der Privatsphäre. Diese Botschaften können im Rahmen von Aktivitäten gemäss dem Lehrplan 21 verbreitet werden. Plakatkampagnen, Workshops oder Vorträge sind ebenfalls hilfreich.
- Sich informieren: Es ist wichtig, Lehrkräfte und pädagogisches Personal darin zu schulen, Anzeichen für die Konfrontation mit unangemessenen Inhalten zu erkennen. Auch die regelmässige Weitergabe von Informationen über aktuelle Trends ist unerlässlich.
Wie wir gesehen haben, reiht sich die Zizi Challenge in eine lange Liste von Challenges ein, die zu gefährlichem oder gewalttätigem Verhalten gegenüber sich selbst oder anderen führen. Der Einsatz der Polizei zum Schutz, zur Begleitung und zur Sicherung von Beweisen ist notwendig.
Nützliche Ressourcen
- Das Zeitalter der sozialen Netzwerke, Website des Amtes für digitale Bildung
- Die französische Polizei warnt vor der Challenge, L'info.re
- Die Zizi Challenge behindert die Arbeit der Polizei im Kampf gegen Pädokriminalität, RTL
- Adoleszenz, Dossier der RTS