In Begleitung von...Alexandre Comby, Leiter von Pramont

Pramont – ein Ort von besonderem Interesse

 

Als Sozialpädagoge ein Gefängnis leiten – dies muss kein Widerspruch sein, wie Alexandre Comby beweist. Seit 2010 führt er die geschlossene Erziehungsanstalt Pramont mit «eiserner Hand im Samthandschuh», wie er es selbst gerne ausdrückt.

Für Alexandre Comby war Pramont schon immer von besonderem Interesse, mehr als andere Strafvollzugsanstalten. «Geschlossene Anstalten sind für alle Beteiligten ein schwieriges Umfeld. Der geschlossene Strafvollzug bildet einen unberechenbaren Nährboden für die Explosivität der Menschen, die hier untergebracht sind.»

 

Geschlossene Anstalten sind für alle Beteiligten ein schwieriges Umfeld. Der geschlossene Strafvollzug bildet einen unberechenbaren Nährboden für die Explosivität der Menschen, die hier untergebracht sind.
Alexandre Comby, Anstaltsleiter von Pramont

Eine Doppelmission

 

Pramont ist das Westschweizer Massnahmenzentrum für junge Straftäter aus der Westschweiz mit einer meist turbulenten Vorgeschichte. Sie sind zwischen 16 und 30 Jahre alt und haben allesamt schwere Straftaten begangen, für die sie mit einer Massnahme und nicht mit einer Strafe belegt wurden. Dabei wissen die meisten dieser jungen Menschen nicht, wie lange sie inhaftiert bleiben. «Sie bleiben so lange bei uns, wie sie eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen», erklärt der Verantwortliche der Einrichtung. «Bei Minderjährigen sind dies im Durchschnitt zirka zwei Jahre, bei jungen Erwachsenen rund dreieinhalb Jahre». Der Auftrag der geschlossenen Erziehungsanstalt Pramont umfasst dabei nicht nur den Schutz der Gesellschaft, sondern auch die Resozialisierung der bis zu 34 Insassen.

 

Sie bleiben so lange bei uns, wie sie eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen.

Ständige Anspannung

 

Bei unserer Ankunft ist auf dem Gelände von Pramont alles ruhig. Die Idylle hält jedoch nicht lange an: Es bricht Streit aus unter den Insassen, die sich gegenseitig durch ihre Zellenwände anbrüllen. Die Szene offenbart ansatzweise die Spannung, die hier herrscht. «Die angespannte Atmosphäre hier hängt mit dem jungen Alter der Menschen zusammen, die man einsperrt. In Pramont haben wir eine Klientel, die sehr unberechenbar und impulsiv ist. Aggressionen unter Jugendlichen, aber auch Selbstmord-, Ausbruchsversuche und Zellenbrände sind in Pramont an der Tagesordnung. Bei Zimmerdurchsuchungen finden sich immer mal wieder Messer und handgefertigte Waffen wie Schlagringe oder Wurfsterne. Für die Mitarbeitenden heisst das, ständig auf der Hut und niemals unaufmerksam zu sein. In Pramont ist niemand vor Übergriffen sicher. «Der letzte Vorfall geschah vor zwei Wochen», bedauert Alexandre Comby. «Eine Sozialpädagogin musste ins Krankenhaus gebracht werden. Sie hat daraufhin gekündigt».

Die Autorität aufrechterhalten

 

Das A und O für die Leitung der Einrichtung ist es, die Autorität vor Ort aufrechtzuerhalten. Vor diesem Hintergrund wurde die Einsatzgruppe Pramont geschaffen. Die Gruppe besteht aus rund 15 Mitarbeitenden verschiedener Berufe mit dem Ziel, bei einem Zwischenfall so schnell wie möglich einzugreifen. Das Konzept dieser Einsatzgruppe wurde von einer internen Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit der Polizeiakademie Savatan erarbeitet. «Wir haben uns an Videos von Angriffen orientiert, um unser Sicherheitskonzept zu erstellen», erklärt der Initiator. Die Mitglieder der Einsatzgruppe werden heute in verbaler Deeskalation, körperlicher Beherrschung sowie im Umgang mit Handschellen und Schutzschilden geschult.

Auf die Frage nach der Gefahr der Vermischung von Erziehung und Zwang, hat Alexandre Comby sofort eine Antwort parat: «Der Sozialpädagoge, der in einem Heim mit behinderten Menschen arbeitet, verrichtet auch Betreuungsarbeit. Entsprechend muss die Fachperson, die in einer Einrichtung wie Pramont arbeitet, auch Sicherheitsaufgaben wahrnehmen können.» Er betont: «Die Beteiligung an der Einsatzgruppe geschieht aber auf freiwilliger Basis.» Von 50 Mitarbeitenden gehören etwa 15 der Einsatzgruppe an. 

Teamarbeit

 

Für die Leitung von Pramont benötigt es eine gehörige Portion Autorität. Alexandre Comby hat sie, lehnt aber jede Form von Autoritarismus gegenüber seinen «Truppen» ab. Korporal Comby, der seine RS als Gebirgsgrenadier in Isone absolviert hat, ist fast allergisch gegen das altmodische Militärmodell. «Mein Modell ist das partizipatorische», fasst er zusammen, und fügt hinzu: «Als Leiter bin ich zwar ein wichtiges Glied des Teams, darf mich aber nicht über alle anderen stellen. Ich investiere viel ins Teambuilding, indem ich mir Zeit und Energie fürs Coaching nehme.»

Umgekehrt kann Alexandre Comby auf die Solidarität seines Teams zählen, in ruhigen wie in turbulenten Zeiten. Diese gegenseitige Unterstützung trägt zweifellos zur Stabilität der Einrichtung bei.

Als Leiter bin ich zwar ein wichtiges Glied des Teams, darf mich aber nicht über alle anderen stellen. Ich investiere viel ins Teambuilding, indem ich mir Zeit und Energie fürs Coaching nehme.

 

Disziplinierung und Resozialisierung

 

Pramont zu leiten gleicht einer Gratwanderung. Es gilt, das richtige Gleichgewicht zwischen Disziplinierung und Resozialisierung zu finden. In einem sich ständig verändernden Umfeld muss man sich täglich anpassen, und es kann schwierig sein, Grenzen zu ziehen, wie Alexandre Comby einräumt: «Zu sehr auf Disziplin zu setzen, ist ein gefährliches Spiel. Die Jugendlichen haben nichts zu verlieren und werden unberechenbar. Wenn man aber zu sehr auf Erziehung bedacht ist, können die Grenzen verschwimmen, mit der Gefahr, dass die jungen Insassen die Kontrolle über die Anstalt übernehmen.»

Zu sehr auf Disziplin zu setzen, ist ein gefährliches Spiel. Die Jugendlichen haben nichts zu verlieren und werden unberechenbar. Wenn man aber zu sehr auf Erziehung bedacht ist, können die Grenzen verschwimmen, mit der Gefahr, dass die jungen Insassen die Kontrolle über die Anstalt übernehmen.

Damit er ein Gespür für den Puls in seinem Gefängnis bekommt, sucht Alexandre Comby gerne den Kontakt zu den Jugendlichen, sei es im Unterricht, in den Werkstätten oder in den Wohngruppen. Dies ist allein seine Entscheidung, nichts und niemand zwingt ihn dazu. «Dank diesen spontanen Begegnungen schafft man es, Verbindungen aufzubauen. Je stärker die Bindung, desto mehr kann man von den jungen Menschen verlangen. So verschafft man sich Respekt, und das ist die Basis», schliesst der Leiter von Pramont.

 

Je stärker die Bindung, desto mehr kann man von den jungen Menschen verlangen. So verschafft man sich Respekt, und das ist die Basis.

 

 

 

©Bilder - Studio Bonnardot

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