Zu Besuch in Miège

Miège ist seit vergangenem Jahr Teil der neuen Gemeinde Noble-Contrée. Trotz der Fusion mit Venthône und Veyras hat es nichts von seinem Charme und seiner Identität verloren, ganz im Gegenteil. Seine Südlage, seine Wälder und vor allem seine Weinberge sind und bleiben einzigartig. Jedes Jahr zieht es neue Einwohner in das idyllisch gelegene Dörfchen auf 700 Metern Höhe, heute sind es 1400 an der Zahl. Patrick Schribers Frau stammt aus dem Örtchen und so hat der Richter Miège mit seiner Familie zu seinem Lebensmittelpunkt gemacht. Anlässlich unseres Besuchs streift Richter Schriber seine Richterrobe ab und schlüpft in die Rolle des Touristenführers. Eine Entdeckungsreise.

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Ein Spitzname?

Die Kalabresen

«Sie können recht laut werden und sind nie um eine Antwort verlegen», beschreibt Patrick seine Mitbürger aus Miége. Schmunzelnd vergleicht er sie mit den unbeugsamen Galliern aus dem Comic Asterix. Der «offizielle» Übername der Dorfbewohner lautet aber «les Calabrais» (die Kalabresen). «Die ausschliesslich landwirtschaftliche Ausrichtung, die geografische Lage fernab aller Verkehrswege, die Lage im östlichsten Teil des französischsprachigen Wallis, wie Kalabrien in der Tiefe Italiens, und die einzige Gemeinde östlich der Signièse ; all dies verhalf uns zum Spitznamen Calabrais», schreibt François Caloz in «Miège ... mon village». Der Beiname hat sich ziemlich gut eingebürgert, wenn nicht sogar durchgesetzt, wie Patrick feststellt: «Es ist fast schon ein Kompliment. «Calabrais» – das vermittelt ein gewisses Bild von Unabhängigkeit».

Warum nicht daraus eine Spezialität kreieren? In der Auslage der Dorfmetzgerei findet sich deshalb auch ein «Fondue calabraise» mit gewürzten Rumpsteak-Stückchen. «Das gönne ich mir ab und zu», meint unser Guide. «Aber natürlich bekommt man davon ziemlich Durst und dass die Kalabresen nicht nur Wasser trinken, dürfte allgemein bekannt sein», scherzt er.

Eine Spezialität?

Der Wein

Zwei üppige Rebstöcke zieren das Dorfwappen. Zweifellos ist die Rebe in Miège heilig. Der Weinberg erstreckt sich über 93 Hektar und prägt somit einen Drittel des Ortsgebiets. Für Patrick ist klar: «Die Reben und Miège gehören zweifellos zusammen». Der Pinot Noir liegt flächenmässig an der Spitze der Rebsorten und weit vor dem Chasselas, wobei der Savagnin blanc (Païen/Heida) auf diesem kalkhaltigen Terroir auf dem Vormarsch ist. Patricks Lieblingsweine sind aber vor allem der Syrah und der Cornalin aus der Region. Knapp zehn Weinkellereien gibt es im Dorf und auch für die Nachfolge bei den Weinbauern ist gesorgt. «Mit den Kindern der Winzer tritt eine neue Generation das Erbe an und die Tradition bleibt erhalten», freut sich unser Gesprächspartner und hebt die Qualität der Produkte hervor: «Das Geheimnis besteht in der Lage der Weinberge und im lokalen Know-how. So werden auch die Erwartungen der anspruchsvollsten Gaumen erfüllt».

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Der Hauptevent?

Die Rebsortenwanderung

Der Erfolg ist nach wie vor ungebrochen. Jedes Jahr im September pilgern Tausende von Menschen hierher, zur Rebsortenwanderung. Über acht Kilometer zieht sich die Prozession jeweils zwischen Siders und Salgesch hin. «Es ist wirklich toll, die Region auf diese Art und Weise zu entdecken und dabei typische Gerichte und grossartige Weine aus Siders, Veyras, Miège oder Salgesch zu probieren. Ausserdem ist die Sonne immer auf unserer Seite», schwärmt Patrick. Die Rebsortenwanderung führt dem Walliser Rebweg entlang und startet beim Château de Villa in Siders. Muraz, Veyras und schliesslich Miège sind unumgängliche Zwischenstationen. «In Miège führt der Weg durch das Dorfzentrum, dann hinauf zum Wald von La Crettaz, bevor man den Place de la bourgeoisie erreicht. Die Maison bourgeoisiale mit den dort servierten Weinen ist und bleibt mein Lieblingsort», verrät der Ortsansässige.

Im Laufe der Jahre hat die Rebsortenwanderung nationale Bekanntheit erlangt und erfreut sich mittlerweile grosser Beliebtheit bei den Deutschschweizer. Für Patrick muss man diesen Event einfach erlebt haben: «Ich denke, man muss mindestens einmal im Leben dabei gewesen sein. Nur schon, um sich ein Bild vom Ganzen zu machen. Entweder mag man es oder man mag es eben nicht. Aber zumindest kann man sich selbst eine Meinung bilden».

Am Samstag, dem 10. September 2022, findet die dreissigste Ausgabe der Rebsortenwanderung statt. Die perfekte Gelegenheit, diese beliebte Veranstaltung kennenzulernen oder sie wieder neu für sich zu entdecken.

Ein besonders schöner Spaziergang?

Die Suone von Clou

Ein Geheimtipp der Einwohner von Miège ist die Suone von Clou, mit einem einzigartigen Blick auf das Dorf und die Rhone-Ebene. Die etwa zwei Kilometer lange Wasserleite speist ihr Wasser aus der Raspille in 900 Metern Höhe. Patrick wandert hier zu jeder Jahreszeit gerne entlang: «Die Wanderung ist recht einfach, ohne grossen Höhenunterschied und man läuft immer auf der Sonnenseite». Die Gemeinde trägt grosse Sorge zu ihrer Suone. Einmal im Jahr treffen sich alle Einwohner, um sich gemeinsam um die Instandhaltung ihrer Suone zu kümmern. Auch die Jüngsten helfen mit: «Die Schulkinder haben vor Kurzem eine grosse Putzaktion durchgeführt. Bei dieser Gelegenheit wurden auch Informationstafeln für die Besucher aufgestellt».

Die Suone von Clou

Patrick schlägt vor, unseren Ausflug bis zur Chapelle des Plans oberhalb der Wasserfassung zu verlängern. Die Kapelle, besser bekannt unter dem Namen Chapelle Sainte Marguerite, erstaunt durch ihre Lage. «Mitten im Wald erscheint sie plötzlich und steht da, wie an einen Felsen gelehnt. Beim ersten Mal ist man überrascht. Die Geräuschkulisse ist sehr stimmungsvoll, denn das Rauschen der Raspille hallt an den Mauern wider. Diese beiden, der Allgemeinheit eher unbekannten Orte, die Suone von Clou und die Chapelle des Plans, sind auf jeden Fall einen Abstecher wert.

Chapelle des Plans

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