Zu Besuch in Binn

Im Tal der verborgenen Schätze

Mit seinen 145 Einwohnern mag Binn ein recht überschaubares Dorf sein. Doch bei Mineralien- und Gesteinskennern ist die kleine Ortschaft im Landschaftspark Binntal auch international ein Begriff. Über 200 verschiedene Mineralien, darunter mehr als ein Dutzend, die nirgendwo sonst auf der Welt entdeckt wurden, sorgen für weltweite Bekanntheit. Binn sei aber nicht wie oft angenommen der Hauptort des Tals, hält Strassenwärter Hubert Gorsatt, mit dem wir uns zuhinterst beim Weiler Fäld treffen, fest. «Der Hauptort heisst Schmiedigehischere. Und dann gibt es noch zahlreiche weitere Weiler, die zur Gemeinde gehören. Aus geschichtlicher Sicht gibt es die Ortschaft mit dem Namen Binn eigentlich gar nicht.»

Weiler Fäld

Hubert Gorsatt ist in Binn aufgewachsen. Gegenwärtig lebt er in der Gemeinde Fieschertal, verbringt aber regelmässig Zeit oberhalb der Binner Baumgrenze. Dort oben, auf etwa 2000 Metern Höhe, besitzt er eine Alphütte. An diesem Ort fühle er sich am wohlsten und könne seine Batterien wieder auftanken. «Im gesamten Binntal gibt es mit über 200 Kilometer markierten Wander- und Bergwegen unzählige Möglichkeiten. Eine der bekanntesten Wanderungen führt wohl über den Albrunpass auf die in Italien liegende Alpe Devero», verrät der passionierte Berggänger.

Ein Eldorado für Mineralienliebhaber

Auf kurze 1,25 Kilometer dieser Wanderwege begeben wir uns nun gemeinsam. Entlang des Gesteinslehrpfads laufen wir bis zur Mineraliengrube Lengenbach. Die etwa halbstündige Wanderung führt an elf Stationen vorbei, die spannende Einblicke in die ausserordentliche Gesteinsvielfalt des Binntals vermitteln. Unterwegs fallen Hubert Gorsatt so allerlei Kindheitserinnerungen ein. «Früher kamen wir oft zur Grube und haben ein unterhaltsames Schauspiel beobachtet. Es kamen Leute aus nah und fern, alle mit der Absicht, unter den riesigen, in der Grube abgebauten Steinbrocken, etwas Wertvolles zu finden.» Manche hätten sich das Gestein regelrecht gegenseitig aus den Händen gerissen. Schmunzelnd fügt er hinzu, dass er und seine Freunde damals Fundstücke aus der Grube – meistens von keinem besonderen Wert - an nichtsahnende Touristen verkauft hätten. Heute gibt es diese Strassenstände nicht mehr. Dafür begegnet man auf der Abraumhalde der Grube zahlreichen mit Hammer und Meissel bewaffneten Kindern. Sie suchen eifrig nach dem Mineral Pyrit, das im Volksmund auch als «Katzengold» bekannt ist. Es ist gelb und glänzt, ist aber trotzdem kein Gold und hat wohl schon so manchen Schürfer enttäuscht. Von einst etwa 150 Mineralarten, die in der Mineraliengrube Lengenbach gefunden wurden, sind das Katzengold und der knallrote Realgar, der auf dem weissen Dolomit farblich sofort heraussticht, heute die verbreitetsten Arten.

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Katzengold
Realgar

Der Mineralienvielfalt ist die touristische Entwicklung des Binntals insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu verdanken. «Damals war das sogenannte Strahlen für die einheimischen Familien ein lukratives Geschäft. Es sorgte für ein zusätzliches Einkommen im traditionellen Bauernbetrieb», erläutert Hubert Gorsatt. Von den Bauernbetrieben sei aber nicht mehr viel übrig. Überhaupt würden die lokalen Gewerbe nach und nach aussterben, da viele ihren Lebensunterhalt ausserhalb des Tales bestreiten würden oder gar weggezogen seien.

In der Mineraliengrube können sich Besucher selbst mit Hammer und Meissel auf die Suche nach Gesteinen begeben. 

Ein Wettertor im Kampf gegen Vereisungen

«Besonders im Winter kann das Tal sehr abgelegen wirken», sagt der Strassenwärter. «Wenn es viel Neuschnee gibt, müssen manche Strassenabschnitte gesperrt werden.» Mit früher sei das aber nicht zu vergleichen, als der Abschnitt durch die Twingischlucht wegen Lawinenniedergängen oft unpassierbar war. «Das hat sich in den 1960er-Jahren mit dem Bau des Tunnels, der diesen Teil umfährt, geändert. Dieser gewährleistet die Zugänglichkeit der Siedlungen auch in den Wintermonaten», führt Hubert Gorsatt weiter aus. Zu ebendiesem, knapp zwei Kilometer langen und etwas unheimlichen Tunnel fahren wir nun auch hin. Denn dieser verfüge über ein weit und breit einmaliges Wettertor, erklärt uns Hubert Gorsatt. Darunter können wir uns noch wenig vorstellen. Was es damit auf sich hat, zeigt uns der Mitarbeiter der Dienststelle für Mobilität am Tunneleingang.

Das Wettertor am Ein- und Ausgang des Binntaltunnels schützt im Winter vor starken Vereisungen.

«Im Binntaltunnel ist es das ganze Jahr über nass. Gerade während der kalten Jahreszeit wurde dies zum Problem, da der Boden so stark vereiste, dass wir Tonnen von Salz streuen mussten. Seit der Inbetriebnahme des Wettertors gehört diese Problematik der Vergangenheit an.» Erreichen die Aussentemperaturen nämlich einen gewissen Minuswert, schliesst das Wettertor automatisch. Im Tunnelinnern bleibt es dadurch etwas wärmer. Die Autos, die den Tunnel passieren möchten, werden kurz vor den Eingängen von einem Ampelsystem sensorisch erfasst, woraufhin sich das Tor öffnet und den Weg frei gibt.

 

 

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