In Begleitung von... Eddy Dorsaz, Kellermeister

Der Tausendsassa

Das Weingut Grand Brûlé in Leytron erwacht unter den ersten Sonnenstrahlen. Die Schatten der Berge ziehen sich allmählich zurück und die Luft wird wärmer. Doch hinter der Postkartenidylle dieses ruhigen Septembermorgens kündigt sich bereits ein durchgetakteter Tag an: die Weinlese.


 


 


 

Eddy Dorsaz empfängt uns im Weinkeller, das Herz des Weinguts. Bevor die ersten Trauben des Tages eingefahren werden, muss noch einiges vorbereitet werden. Wir folgen dem Fachmann ins dritte Untergeschoss, zu den imposanten Edelstahltanks. Die Pumpen werden angelassen. «Wir leeren und reinigen die letzten Tanks, um Platz für die Petite Arvine und den Johannisberg zu machen, die werden wir heute einkellern», erklärt Eddy inmitten des Getöses.

 

Wir leeren und reinigen die letzten Tanks, um Platz für die Petite Arvine und den Johannisberg zu machen, die werden wir heute einkellern

15 Hektar Reben

Die erste Ladung frisch gelesener Trauben trifft ein. Eddy geht wieder ins Freie und nimmt die kostbare Fracht in Empfang. Es beginnt das Abbeeren, gefolgt vom Pressen, bevor der Traubenmost in die Tanks gefüllt wird. Seit dem 22. August 2025 ist die Weinlese in der Staatskellerei in vollem Gange. «Es ist eines der frühesten Jahre», betont der Experte. «Angefangen haben wir mit dem Gamay von Châteauneuf».


 


 

Als einziger Staatskellermeister leitet Eddy Dorsaz die beiden Weingüter Grand Brûlé und Châteauneuf, die insgesamt 15 Hektar Reben umfassen. Alle Weine – insgesamt 32 Crus – werden hier in Leytron vinifiziert. So werden im Betrieb durchschnittlich 80 000 Flaschen pro Jahr produziert. «Der Kellermeister ist sowas wie der Betriebsleiter: Er nimmt die Trauben an, verarbeitet sie, baut sie aus, füllt sie in Flaschen ab und vermarktet das Endprodukt», fasst Eddy zusammen.

 

Der Kellermeister ist sowas wie der Betriebsleiter: Er nimmt die Trauben an, verarbeitet sie, baut sie aus, füllt sie in Flaschen ab und vermarktet das Endprodukt

Die Testkellerei

In der Staatskellerei Wallis gibt es die Weine, die verkauft werden … und solche, die getestet werden. Eddy führt uns in seine Forschungskellerei. Dort füllt ein halbes Dutzend 200-Liter-Edelstahltanks den Raum aus. «In einigen Tanks untersuchen wir den Einfluss der Hefen. Drei Fässer desselben Fendants werden mit unterschiedlichen Hefen vergoren. Nach der Abfüllung werden die Weine von Fachleuten verkostet und miteinander verglichen», erklärt der Experte.

Vor dem Hintergrund des Klimawandels dienen diese Versuche beispielsweise dazu, die Hefe zu finden, die sich am besten für den Wassergehalt der Beeren eignet. In ähnlicher Weise testet die Kellerei auch Arvine- und Cornalin-Reben, die widerstandsfähiger gegen Trockenheit sind. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten werden anschliessend der gesamten Weinbranche zur Verfügung gestellt.

 

 


 

An der Spitze der Innovation

Innovation kann mitunter überraschende Formen annehmen. Eddy reicht uns ein Tablett mit Rispen. «Riechst du diese Karamellnote?» Kein Zweifel: Die kahlen Stiele verströmen einen Karamellduft, der selbst durch die Verpackung hindurchdringt. Der Kanton untersucht hier ein innovatives und vielversprechendes Verfahren: das Rösten der Rispen.

 


 


 

« «Ein Waadtländer Kollege hat dieses Verfahren erfunden und patentieren lassen. Die Stiele können manchmal zu tanninhaltigen, herben Weinen führen. Durch das Rösten sollen diese grünen Tannine reduziert werden, während die Frische der Stiele bleibt.» Konkret werden die Rispen zunächst in einem Ofen getrocknet und nach der Röstung in den Gärtank gegeben. In der ganzen Schweiz beteiligen sich nur drei Kellereien an dieser Studie. Im Wallis konzentriert man die Versuche auf den Pinot Noir. «Mit dieser Methode kann der Wein ein völlig neues Gesicht bekommen», schwärmt Eddy.

 

Die Stiele können manchmal zu tanninhaltigen, herben Weinen führen. Durch das Rösten sollen diese grünen Tannine reduziert werden, während die Frische der Stiele bleibt.

Eine Berufung

Hinter dem Techniker verbirgt sich ein bodenständiger Mann. Eddy Dorsaz stammt aus einer Landwirtsfamilie aus Fully und wuchs wischen Weinbergen, Obstgärten und Gemüsefeldern auf. Als junger Erwachsener entschied er sich schliesslich für den Weinbau. Nach seinem Doppel-EFZ mit Fachrichtung Winzer und Kellerwirtschaft beschloss Eddy, seine Ausbildung in Changins zu erweitern, wo er den eidgenössischen Fachausweis und einige Jahre später den Meistertitel erlangte. Damals war er gerade mal 33 Jahre alt. «Der Fachausweis erlaubte mir, mein technisches Wissen zu vertiefen, während mich die Meisterprüfung gleichzeitig in der Unternehmensführung schulte», betont Eddy. Die Ausbildung zum Kellermeister hat jedoch an Attraktivität verloren, denn heutzutage wird nur noch alle fünf Jahre ein Meister ausgebildet. «Durch die neue, umfassendere Ausbildung zum Weintechnologen in Changins hat die Meisterprüfung an Attraktivität verloren. Deshalb werden die Kellermeister wohl allmählich zu einer aussterbenden Spezies», schmunzelt der Fünfzigjährige.

 

 


 

Zwischen Medaillen und Auszeichnungen

Die schönste Belohnung ist jedoch nicht unbedingt das, was man denkt: «Mein grösster Stolz ist der Erfolg der Lernenden, wenn sie am Ende ihrer Ausbildung ihr Diplom in den Händen halten. Das ist noch erfüllender als die Medaillen, die man bei Wettbewerben gewinnt», so Eddy.

Zurzeit sind Lara und Killian bei ihm in der Ausbildung. «Lara ist im 3. Jahr und Killian im ersten. Sie arbeiten im Zweierteam: Die Erfahrenere coacht den Jüngeren.»

In 17 Jahren hat der Kellermeister bereits 16 Lernende begleitet. Die Zeiten ändern sich, der Weinbau erlebt Gegenwind, doch Eddys Botschaft an die neue Generation von Kellermeistern bleibt unverändert: «Durch den Wein werden wir stets Vermittler von Know-how, Tradition und Emotionen sein.»

 

Mein grösster Stolz ist der Erfolg der Lernenden, wenn sie am Ende ihrer Ausbildung ihr Diplom in den Händen halten. Das ist noch erfüllender als die Medaillen, die man bei Wettbewerben gewinnt