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Herbert Volken
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Ein Präfekt verabschiedet sich

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Ein Präfekt verabschiedet sich
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Der langjährige Präfekt des Bezirks Goms Herbert Volken hat beim Staatsrat per Ende Jahr seine Demission eingereicht. Im Interview mit «vis-à-vis» blickt er auf ein Vierteljahrhundert im Dienste des Staates Wallis zurück.

 

 

Herbert Volken, Sie zählen zu den dienstältesten Präfekten des Kantons. Nun haben Sie per Ende Jahr Ihre Demission eingereicht und darin auf die obligate Altersgrenze von 70 Jahren verwiesen. Wenn die Altersgrenze nicht wäre, hätten Sie selbst nach 25 Jahren noch ein wenig weitergemacht?

Wenn ich nicht «anstandshalber» gehen müsste, wäre es mir auch recht, noch das eine oder andere Jahr anzuhängen. Ich bin noch gut in Form, habe Freude an der Arbeit und habe einen guten Draht zu den Menschen. So ganz freiwillig würde ich nicht gehen.

Das Amt des Präfekten steht zunehmend unter Druck. Viele politische Gruppierungen monieren, die Zeit der Präfekten sei definitiv vorbei. In den nächsten drei Jahren wird im Verfassungsrat und später vom Volk entschieden, wie es mit den Präfekten weitergehen soll. Weshalb ist dieses Amt Ihrer Meinung nach auch heute immer noch wichtig?

In all den Jahren, in denen ich dabei bin, gab es immer wieder Forderungen im Grossen Rat, die eine Abschaffung des Präfektenamts verlangten. Das Volk war Gott sei Dank immer vernünftiger als das Parlament und liess die Präfekten im Amt. Ich gehe auch davon aus, dass der Verfassungsrat dieses Amt, wenn auch nicht in seiner jetzigen, aber in einer ähnlichen Form, belassen wird. Ein Präfekt ist vor allem für kleinere Bezirke wichtig. Die Städte haben so jemanden weniger nötig. Es kommt nämlich immer wieder vor, dass Gemeinden, Institutionen und Einzelpersonen ein Anliegen haben und damit zum Präfekten gehen. Ich denke im Goms geniesst der Präfekt eine hohe Akzeptanz. So zwei bis dreimal pro Woche habe ich von jemandem ein Anliegen auf dem Tisch, das ich zu regeln versuche.

Dann könnte man also sagen, die Hemmschwelle ist geringer, wenn die Bewohner des Bezirks sich an Sie, an jemanden, den sie unter Umständen persönlich kennen, richten können?

Wahrscheinlich richtet sich eine Gommerin oder ein Gommer eher an mich als an den Staatsrat. Ausserdem kommt man ja auch nicht ohne Weiteres an die hohen Instanzen. Nicht jeder Dienstchef oder Staatsrat empfängt jede Bürgerin oder jeden Bürger, die haben dafür oft schlichtweg keine Zeit.

Was waren Ihre Aufgaben als Präfekt?

Unsere Aufgaben sind im Gesetz von 1850 umschrieben. Die Aufgaben haben sich aber im Laufe der Jahrzehnte verändert. Dazu kommt heute allerlei, das nirgends festgehalten ist. Wenn wir nur noch das ausführen müssten, was dort geschrieben steht, bräuchte es wohl keine Präfekten mehr. Wir haben das Recht, die Armee aufzubieten, haben Polizeigewalt. Das heisst, ich bin befugt, Leute aus dem Bistro zu werfen oder bei Katastrophen den Notstand auszurufen, Mitglieder von Kommissionen zu ernennen, Stiftungen zu beaufsichtigen, Ausweiskarten für Reisende mit einer Behinderung auszustellen, Vereidigungen vorzunehmen, Vormeinungen zu Demissionen von Gemeinderatsmandaten abzugeben oder die Gemeinden über den Ablauf der eidgenössischen und kantonalen Wahlen zu informieren sowie bei den Grossratswahlen die Listen der Kandidaten und deren Unterzeichner anzunehmen, zu kontrollieren und an den Staat weiterzuleiten. Dazu bin ich Vorsitzender der Gemeindepräsidentenkonferenz. Obwohl vom Staatsrat ernannt, macht ein Präfekt viel mehr auf lokaler Ebene als für den Kanton. Es kommt natürlich vor, dass wir die Regierung an Anlässen repräsentieren. Deshalb hört man auch immer wieder mal, dass man die Präfekten immer nur an Veranstaltungen mit einem Glas Wein in der Hand zu Gesicht bekommt. Diesen Ruf haben wir, aber das stimmt natürlich nicht. Vielleicht müsste man das Präfektenamt in Zukunft anders gestalten und entsprechend das Pflichtenheft überarbeiten.

Sie hatten demnach eine bewegte Zeit. Werden Sie Ihren Job vermissen?

Natürlich wird er mir fehlen. Aber ich lebe noch und bin noch fit, also werde ich versuchen, mein Netzwerk instand zu halten und werde der Gommer Bevölkerung bei Anliegen auch weiterhin zur Verfügung stehen. Dafür muss ich keinen Titel oder eine Uniform tragen.

Durch die Ablösung der Vormundschaftsbehörden durch die Kesb 2013 hatten Sie weniger mit problematischen Einzelschicksalen zu tun. Fluch oder Segen?

Das ganze Vormundschaftswesen ist eine sehr heikle Angelegenheit. Viele Fälle lagen auf meinem Schreibtisch. Bis auf einen konnte ich aber alle lösen. Dieser ging schliesslich an das Kantonsgericht weiter. Wenn man diese Fälle nicht betreuen muss, ist das eine grosse Erleichterung. Es sind nämlich die schwierigsten Fälle, die sehr mit Emotionen verbunden sind. Man sieht Leute die leiden, oder solche, die ausnutzen oder ausgenutzt werden. Gefehlt haben mir diese Fälle nicht.

Wie konnten Sie mit diesen schwierigen Fällen umgehen?

Ich habe ein relativ dickes Fell und kann viel aushalten. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, der Bösewicht zu sein. Man sucht ja immer einen Schuldigen. Und das hat mir zunehmend weniger ausgemacht. Wenn es sich nicht um Fälle aus dem Freundeskreis oder aus der Familie handelte, habe ich mein Tun stets als amtliche Handlung angesehen. Schlaflose Nächte hatte ich deswegen nie.

Welchen Tag im Amt werden Sie nie vergessen?

Das war kein einzelner Tag, sondern der Lawinenwinter im Jahr 1999. Das Goms war neun Tage lang abgeschottet. Keine Strasse war mehr offen, die Bahn ist nicht mehr gefahren. Wir hatten keinen Strom mehr, sogar das Heizöl fror. In diesem Jahr musste die Präfektur den Notstand ausrufen. So etwas bleibt für immer in Erinnerung.

Haben Sie nie daran gedacht, den Bettel hinzuschmeissen?

Nein, nie. Ich war 20 Jahre lang im Parlament, 12 Jahre Gemeindepräsident von Fiesch, hatte verschiedene sonstige Ämter inne und habe diese immer mit Freude und im Interesse der Bevölkerung ausgeführt. Als ich Gemeindepräsident war habe ich einmal eine Rücktrittsaufforderung erhalten. Das hat mich aber nicht weiter beeindruckt, ich bin dennoch geblieben. Als Grossratspräsident erhielt ich einmal eine Morddrohung wegen einer Luchsgeschichte. Daraufhin bekam ich Polizeischutz, der vom Staatsrat angeordnet wurde. Aber auch das vermochte mich nicht einzuschüchtern.

Sie gelten als einer der aktivsten und einflussreichsten Präfekten im Wallis, als jemand, der nicht um den heissen Brei redet. Sie wurden 2009 sogar beim Papst vorstellig und baten ihn, mit jährlichen Prozessionen um den göttlichen Beistand für das Gletscherwachstum zu beten. Sie waren unermüdlich im Einsatz. Und jetzt, wie geht es für Sie weiter?

Im neuen Jahr wird es dann vielleicht schon ein wenig langweilig, wenn ich nicht mehr so oft kontaktiert werde. So ging es mir auch, als meine Zeit im Grossrat zu Ende war. Man geniesst ein gewisses Ansehen und plötzlich ist dieses weg. Das wird mich also schon etwas wurmen. Ich werde mich deshalb ablenken und mehr Skifahren, zu Berg und auf die Jagd gehen, Hobbys pflegen und mir mehr Zeit für meine Familie nehmen. Ich muss meinen 14 Enkeln schliesslich beibringen wie man Ski fährt.

Hinterlassen Sie Ihrem Nachfolger einen aufgeräumten Schreibtisch?

Ja. Ich habe mich mit ihm bereits betreffend Amtsübergabe und gewissen Terminen getroffen. Mit meinen Dossiers bin ich «à jour». Ich werde Fredy Huber ganz bestimmt nie reinreden, denn jeder hat eine andere Vorgehensweise. Ich gab immer das Beste. Ich hoffe, das wird auch mein Nachfolger so machen. Und falls er mal Hilfe brauchen sollte, werde ich ihm gerne zur Verfügung stehen.

Der Bezirk Goms hat mit der Abwanderung zu kämpfen. Die Wirtschaft und der Tourismus kriseln. Können Sie diese Probleme einfach so hinter sich lassen?

Nein, sicherlich nicht. Aber mir bleibt noch ein wunderbares Projekt. Ich bin im Verwaltungsrat der Grimselbahn AG. Ich wünsche mir, dass wir dafür sorgen können, dass die Bahn zwischen Innertkirchen und Oberwald möglichst bald Fahrt aufnehmen kann. Ich möchte dann im ersten Zug ganz vorne neben dem Lokführer sitzen.

Am Ende meiner Tätigkeit als Präfekt möchte ich mich beim Staatsrat, der Staatskanzlei, den Generalsekretariaten, dem Informations- und Kommunikationsdienst, den Dienststellen sowie allen treuen Beamten der Republik und des Kantons Wallis recht herzlich für die langjährige, sehr angenehme und freundschaftliche Zusammenarbeit bedanken.  

 

 

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