PorträtMit viel Ideenreichtum neue Atmosphären schaffen

Zeitintensiv und herausfordernd seien sie gewesen, die letzten Wochen und Monate, sagt Norbert Russi. Aber eben auch unglaublich spannend und abwechslungsreich. Denn neben seinem Vollzeitjob als Stellvertreter des Kantonsarchitekten bei der Dienststelle für Hochbau, Denkmalpflege und Archäologie hat er viele freie Minuten in die Oberwalliser Musicalproduktion Umbra investiert, die Anfang September im Theater La Poste in Visp Premiere gefeiert hatte. Als Scenery Director zeichnete er sich für das Bühnenbild des Musicals verantwortlich.

 

 

 

 

 

 

 

Ich habe während meiner Tätigkeit als Mathematiklehrer immer wieder versucht, die Werbetrommel für Architektur zu rühren.

 

 

 

Um zu erklären, wie er zu dieser Nebenaufgabe kam, muss Norbert Russi etwas ausholen. «Ich war früher Primarlehrer, habe dann später noch Mathematik und Sport studiert und anschliessend ein Jahr lang unterrichtet. Ich hatte immer eine Ambition für Architektur, mich aber erst spät dazu entschlossen, die Herausforderung eines Architekturstudiums an der ETH Lausanne anzunehmen.» Um sein finanzielles Fundament zu behalten, hat er während seines Studiums und auch später bei seiner Tätigkeit als freischaffender Architekt immer nebenbei noch unterrichtet. «Zuletzt war ich 13 Jahre lang in Teilzeit am Kollegium Spiritus Sanctus in Brig als Mathematiklehrer tätig, bis ich im Herbst 2017 zur Kantonsverwaltung wechselte. Während dieser Zeit habe ich immer wieder versucht, die Werbetrommel für die Architektur zu rühren. So kam es, dass mich Raban Brunner, der das Musical Umbra geschrieben und komponiert hat und in der Zeit meiner Lehrertätigkeit am Kollegium einer meiner Schüler war, für den Bau des Bühnenbilds seines Musicals angefragt hat.»

Schon immer eine kreative Ader

Obwohl Norbert Russi bis dahin noch nie ein komplettes Bühnenbild gestaltet hat, brachte er schon einiges an Kreativerfahrung mit. «Als ausgebildeter Architekt hat man gelernt wie man Projekte andenkt und bis zur Realisation führt. Für einzelne Vereine habe ich die Corporate Identity gestaltet und bei Inszenierungen mitgeholfen. Wie etwa beim ‹ensemble da capo›, wo ich selbst seit 25 Jahren aktiv mitsinge und dessen Auftritte mitgestalte. Für das Freilichttheater ‹Ds Wilt Mandji›, das vor zwei Jahren in Baltschieder aufgeführt wurde, war ich im Kreativteam des Organisationskomitees und habe das Grafik- und Werbekonzept erstellt.» Generell hätten ihn als Architekt auch die kleinen, einzigartigen Projekte interessiert, die einen forderten und die andere nicht ums erste anpacken wollten.

 

 

Beim Planen eines Wohnhauses ist man stark an funktionelle Zwänge gebunden.

 

 

 

So hat er vor rund zehn Jahren mit dem Künstler Pascal Seiler im Auftrag der Gemeinde Visp einen Spielweg (Schpillwäg) durch das Ortszentrum gestaltet. «Die Idee war, Skulpturen aufzustellen, die man auffinden, begehen und bespielen konnte. So dass Kinder auf einem Spaziergang etwas zur Unterhaltung vorfanden, während die Erwachsenen die Stadt entdecken und den Ort kennenlernen konnten. Das sei ein gutes Beispiel gewesen, wie man einen Kreativauftrag angehen könne, der zwar einen funktionellen Hintergrund habe, aber durch eine unkonventionelle und originelle Idee Einzigartigkeit erreiche, präzisiert Russi. «Beim Planen eines Wohnhauses ist man stark an funktionelle Zwänge gebunden. Das Bauprogramm ist vorgeschrieben, Normen und Vorgaben bilden einen strengen Rahmen für die kreative Arbeit. Spezialaufträge wie der ‹Schpillwäg› bieten hingegen mehr Spielraum und fordern mich als Architekt auch entsprechend.»

 

 

Die Skizzen und Visualisierungen des Szenenaufbaus wurden dank Raban Brunners Kontakten zu Spezialisten des New Yorker Broadwaytheaters von Profis kritisch überprüft. Aus Erfahrung weiss der Architekt, dass es nicht immer einfach ist, Unternehmer zu finden, die die Produktion solcher Bühnenelemente übernehmen. «Bei diesen Aufträgen handelt sich ausschliesslich um Prototypen, die es in dieser Form und in ihrem Funktionieren vorher noch nicht gab. Somit birgt der Bau eines solchen Objekts auch immer ein nicht zu vernachlässigendes Risiko. Es braucht Mut einen solchen Auftrag anzunehmen.» Umso zufriedener sei er gewesen, dass er zwei innovative Oberwalliser Unternehmen - eine Schreinerei und eine Stahlbaufirma - gewinnen konnte, die beide Bauten mitentwickelt und in bester Handwerkskunst erstellt haben. Alleine das über vier Meter hohe Hauselement wiegt 1,2 Tonnen. Es ist allseitig frei drehbar, begehbar, dient den Schauspielern gleichzeitig als Hintergrund, Requisite oder als Bühne auf der Bühne.

 

 

Von der Idee zum fertigen Bühnenelement

So sei es auch beim Bühnenbild für das Musical Umbra gewesen. «Aller Anfang steht die Geschichte, das Storybook. Diese dient als Basis für alles Weitere. Also habe ich zuerst das Drehbuch gelesen und mich mit der Geschichte beschäftigt. Es ist wichtig, die Motivation des Autors zu verstehen.» Dessen Vorstellung sei gewesen, die Geschichte in drei oder vier Grundszenen auf der Bühne darzustellen. «Ich stellte mir die Frage, wie ich mit möglichst wenigen Elementen vier verschiedene Räume gestalten kann. Viele verschiedene Varianten wurden ausprobiert», erklärt Russi. «Mir gefiel die Idee, etwas Konkretes auf die Bühne zu stellen, das wie ein vielköpfiger Janus vier räumliche Bilder darstellen kann. So entstanden letztendlich zwei drehbare Elemente. Eines in Form eines dreiseitigen Hauses, das andere in Form eines Treppenpodests.»

 

Es ist wichtig, die Motivation des Autors zu verstehen.

 

 

Ein Projekt für die ganze Familie

Die Leidenschaft, mit der Norbert Russi seine Projekte anpackt, ist förmlich spürbar. Gerade für das Musicalprojekt Umbra steht ihm seine Freude ins Gesicht geschrieben. Denn neben ihm sind auch seine Frau und seine drei Kinder - ob auf oder hinter der Bühne - an der Produktion beteiligt. Wie er mit einem Schmunzeln hinzufügt, war er selbst allerdings der einzige der Familie gewesen, der beim Casting weder vorgesungen noch vorgetanzt hat.

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