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Frauenstreik
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Vier Mitarbeiterinnen der Kantonsverwaltung erzählen, weshalb für sie der Streik am 14. Juni bitter nötig oder total überflüssig ist.
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Frauen fordern mehr Lohn, Respekt und Zeit
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28 Jahre nach dem ersten und bislang einzigen Frauenstreik im Jahr 1991, gehen die Frauen auch diesen 14. Juni wieder auf die Strasse und kämpfen unter anderem für Lohngleichheit, mehr Respekt und mehr Zeit. Vier Mitarbeiterinnen der Kantonsverwaltung erzählen, aus welchen Gründen sie diesen Streik unterstützen und daran teilnehmen werden oder was dagegen spricht.

 

 

 

Barbara Chastellain

Wirtschaftliche Mitarbeiterin im Kompetenzzentrum SAP-Finanzen

Als ich meiner siebenjährigen Tochter erklärt habe, warum wir uns am 14. Juni mobilisieren, sagte sie mir, dass auch sie gerne demonstrieren möchte. Sie sagte, früher seien die Männer, als sie nach Hause kamen, auf dem Sofa gesessen und hätten ferngesehen, während die Frauen gearbeitet hätten. Ich sagte mir, dass diese Worte nicht aus einem Kindergeschichtsbuch der Stufe 3H stammen und dass die alten Zeiten wohl doch nicht ganz Geschichte waren.

Dass Frauen in vielerlei Hinsicht nicht den Männern gleichgestellt sind, muss nicht mehr erwiesen werden. Viele Statistiken belegen dies bereits. Jede Frau hat eine persönliche Geschichte diesbezüglich zu erzählen. Das kann von einer lustigen Anekdote bis hin zu dramatischeren Fakten reichen. Das ist einer der Gründe, warum ich mich nicht einfach zurücklehne und nur zusehe.

Einigen mögen Sprüche wie «Der Platz einer Frau ist zu Hause» harmlos erscheinen. Oder aber auch Aussagen wie «Es ist nicht normal, dass eine Frau gleichviel wie ein Vater verdient, der für die Familie sorgt». Es ist auch nicht in Ordnung, dass ein Kunde sich weigert, mit uns zu verhandeln und auf ein Gespräch mit dem Vorgesetzten besteht, oder dass wir weniger Informationen erhalten was unseren Jobs angeht, will wir Teilzeit arbeiten (und angeblich nie da sind, wenn wir gebraucht werden). Auch wenn diese Beispiele uns nicht täglich betreffen, bedeutet ihre Häufung, dass wir irgendwann einfach «Stop!» rufen müssen.

Obwohl ich das Glück habe, solche Diskriminierungen nicht allzu oft zu spüren, ist dies bei weitem nicht bei jeder Frau der Fall. Viele von ihnen werden am 14. Juni keine Gelegenheit haben, ihrer Stimme ein Gehör zu verschaffen. Nur schon für all diese Frauen habe ich vor, meine doppelt so laut erklingen zu lassen.

Am 14. Juni werde ich mit meinem vierjährigen Sohn am Mittag nach der Schule auf meine Tochter warten. Es ist mir ein Anliegen, meine Kinder für dieses Thema zu sensibilisieren. Wir werden alle zusammen auf die Place de la Planta in Sitten gehen. Auf dem Programm stehen ein Zero-Waste-Picknick (wenn schon, dann richtig) und ein Plakat-Workshop. Am späteren Nachmittag werde ich am Marsch durch Sitten teilnehmen. Meine Kinder werden mit ihren Aktivitäten wie Tanzen, Schwimmen und Gymnastik beschäftigt sein. Alles was noch fehlt, ist die Logistik, um alle rechtzeitig an den richtigen Ort zu bringen, wenn die Mutter in den Streik tritt. Ein Beweis für den Weg, der noch zurückgelegt werden muss, damit Männer, die gerne eine wichtigere Rolle in der Familienorganisation einnehmen möchten, dies auch können.

 

 

Véronique Maret

Bibliothekarin in der Mediathek Wallis

Warum am 14. Juni am Frauenstreik teilnehmen? Warum sich heute engagieren, wenn in unserer schönen neuen Welt alles gut zu laufen scheint? Nun, weil das Bild täuscht. Die Probleme sind nach wie vor vorhanden und in Bezug auf Rechte haben wir teilweise sogar einen Schritt zurück gemacht.

Bereits 1991 habe ich als junge Mutter am Frauenstreik teilgenommen. Auch dieses Jahr werde ich wieder dabei sein und die Weichen dafür stellen, damit das Gleichstellungsgesetz auch wirklich angewendet wird. Als ich sah, wie sich junge Frauen engagierten, investierten und diesen Kampf übernahmen, war es selbstverständlich, dass auch ich mich beteiligen werde. Denn von der Gleichstellung von Frauen und Männern kann die gesamte Bevölkerung profitieren. Leitsprüche wie «gleiche Arbeit, gleicher Lohn» und Forderungen nach Elternurlaub, Teilzeitarbeit für alle, nach einer Aufteilung der häuslichen Aufgaben, von repräsentativeren Machtkreisen sowie der Aufruf gegen Gewalt und Diskriminierung usw. tragen allesamt zur Verbesserung der Gesellschaft bei.

Konkret engagiere ich mich auf freiwilliger Basis aktiv an den Ständen auf dem Markt in Sitten und auf der Place de la Planta sowie an der Parade am Ende des Tages. Um daran teilzunehmen habe ich gemäss Anweisungen des Staates den Tag freigenommen…was mir für einen Streik absurd erscheint, aber so ist es nun mal.

Auf dass eine solche Aktion in 20 Jahren überflüssig sein wird!

P.S: Ich empfehle jedem Margaret Atwoods Roman Der Report der Magd aus dem Jahr 1985 oder die gleichnamige Serie, die 2017 adaptiert wurde sowie die Verfilmung des Romans Die Geschichte der Dienerin (2008) von Volker Schlöndorff. 

 

 

Nathalie Germanier

Mediamatikerin in der Information

Danke Christine de Pizan, Olympe de Gouges, Clara Zetkin, Simone de Beauvoir, Rosa Parks und Simone Veil. Ein grosses Dankeschön an diese Frauen, die dafür gekämpft haben, unser Leben zu dem zu machen, was es heute ist. Danke auch an Victor Hugo, der 1872 die Gleichstellung der Geschlechter forderte, an Jean Jaurès, der das Frauenstimmrecht unterstützte, an Wladimir Iljitch Uljanow, bekannt als Lenin, der den 8. März im Jahr 1921 zum Frauentag erklärte. Vielen Dank an alle Männer, ohne die diese Veränderungen nicht möglich gewesen wären.

Die Weiterführung des Gleichstellungskampfes ist lebenswichtig, aber nicht in Form von Segregation. Ungleichheiten gibt es in vielen Bereichen. Sie betreffen die Herkunft, das Aussehen, den Gesundheitszustand, Behinderungen, die sexuelle Orientierung, das Alter und vieles mehr. Die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht muss sekundär sein. Bedingungslos, ohne Diskriminierung und Vorurteile für Gleichstellung, Respekt und ein gleiches Einkommen für jedermann zu kämpfen ist so wichtig wie noch nie.

Der Streik am 14. Juni ist meiner Meinung nach eine Modeerscheinung, weit entfernt von den Forderungen der Vergangenheit und so organisiert, dass er absurd wirkt. Die Demonstration wird nicht den humanitären Fortschritt fördern, sondern nur Frauen bestrafen, die ihre Abwesenheiten von der Arbeit und zu Hause organisieren, verwalten und planen müssen.

 

 

Cécile Chapuis

Administrative Mitarbeiterin in der Staatskanzlei

Zunächst einmal möchte ich betonen, wie wichtig diese Kämpfe sind, die von uns Frauen geführt werden, um unsere Situation zu verbessern. Diese sind von entscheidender Bedeutung für unsere Zukunft und die der nachfolgenden Generationen.

Ich werde jedoch nicht am Streik vom 14. Juni teilnehmen. Ich finde es bedauerlich, dass diese Aktion mit feministischen Bewegungen in Verbindung gebracht wird. Diese sind meiner Meinung nach oftmals zu extrem. Ich möchte diesen Tag nicht im Zeichen des Feminismus und dessen Prinzipien verbringen, mit denen ich mich nicht identifiziere.

Natürlich müssen wir Solidarität und unsere Entschlossenheit zeigen, um voranzukommen. Aber nicht um jeden Preis. Das eindrucksvollste Beispiel einer extremen Herabstufung der Gleichberechtigung ist der Wunsch nach einer Frauenquote, die Frauen den Zugang zu bestimmten Positionen (Kaderpositionen, politische Ämter usw.) ermöglichen soll. Im Ernst? Seit wann brauchen wir Frauen Quoten? Werden wir uns dazu herablassen, Stellen anzunehmen, die uns nur angeboten werden, weil wir arme kleine Frauen sind? Oder wollen wir stolz darauf sein, dass wir diese Stellen alleine ergattert haben? Was die Lohngleichheit betrifft, so stimme ich der allgemeinen Empörung voll und ganz zu, und es ist höchste Zeit, das Gesetz auch wirklich durchzusetzen.

In Bezug auf die Gewalt gegen Frauen in all ihren Formen wäre es wichtiger, konkrete Massnahmen zu ergreifen. Etwa die Einrichtung zusätzlicher Unterkünfte für Opfer und ihre Kinder sowie strengere Gesetze. Ich glaube nicht, dass ein einzelner Streiktag an der Gesamtsituation etwas ändern kann, solange es kein solides Rückgrat gibt.

Wie bereits gesagt, werde ich mich nicht am Streik beteiligen. Das heisst, ich muss mich an diesem Tag auch nicht besonders organisieren. Ausserdem ist mein Ehemann Hausmann (ja, auch das ist möglich) und ich kann ich mich zu 300 Prozent auf ihn verlassen, was wirklich toll ist.

Ich wünsche den Frauen am 14. Juni viel Erfolg und hoffe, dass auch viele Männer am Streik teilnehmen werden. Denn je ebenbürtiger wird sind, umso mehr können wir uns ergänzen.

 

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