In Begleitung von...Kantonsönologin Nadine Pfenninger-Bridy

Die Weindegustation bildet das Herzstück ihrer Arbeit. Fast täglich verbringt Nadine Pfenninger-Bridy Zeit damit, Weine zu begutachten, zu erriechen und zu degustieren, manchmal auch in aller Früh. « Meine Nase um 6.30 Uhr in ein Glas zu stecken, ist nicht immer angenehm », gibt sie zu. Abgesehen davon sei die Weindegustation jedoch ein Genuss. Einer, der sich erlernen lässt: « Meiner Meinung nach haben wir alle eine unterschiedliche Wahrnehmung. Gewisse Leute reagieren empfindlicher auf die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen wie süss, sauer, bitter oder salzig. Einen Gaumen kann man aber trainieren, das ist eine reine Gedächtnis- und Übungsfrage. »

Meine Nase um 6.30 Uhr in ein Glas zu stecken, ist nicht immer angenehm

An diesem Mittwochmorgen empfängt Nadine Pfenninger-Bridy den Winzermeister Yvon Cheseaux im Önologielabor in Châteauneuf. Auf dem Programm steht das Verkosten einer Schönung. Was eine Schönung ist? So nennt man einen entscheidenden Vorgang der Vinifikation, den letzten vor dem Abfüllen des Weines in Flaschen. Die Önologin vergleicht den Prozess « mit dem letzten Kämmen bevor man das Haus verlässt, um eventuell noch eine widerspenstige Strähne zu richten. »

Diese Art von Nachbehandlung des Weins erfolgt meist mithilfe natürlicher Produkte, bei den Rotweinen zum Beispiel kommt häufig Gelatine zum Einsatz. Dabei geht es um Mikrodosierungen: bei 100 Liter Wein sind es nicht mehr als ein paar Milligramm Schönungsmittel. Die Önologin schlägt für jeden Wein – in diesem Fall ein Gamay, ein Pinot Noir, ein Merlot, ein Humagne Rouge und eine Assemblage – eine Reihe verschiedener Schönungsmethoden vor. Die Verkostung findet blind statt, danach folgt der Austausch mit dem Weinbauer. « Wenn wir beim Referenzwein bleiben, also dem ursprünglichen Wein ohne Schönung, bin ich sehr zufrieden. Eine Schönung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Wein sie wirklich benötigt. Die letzte Entscheidung liegt oft beim Wein selbst !. »

Wenn wir beim Referenzwein bleiben, also dem ursprünglichen Wein ohne Schönung, bin ich sehr zufrieden. Eine Schönung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Wein sie wirklich benötigt. Die letzte Entscheidung liegt oft beim Wein selbst!.

Die Beratung der Weinbauern bildet einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit als Kantonsönologin. In Châteauneuf bietet Nadine Pfenninger-Bridy einen persönlichen Service an, zum Beispiel Versuche mit Schönungen oder Assemblagen, sowie die analytische Kontrolle von Weinen. Pro Jahr werden in ihrem Labor 9500 Proben geprüft. « Die Dienstleistung im Labor ist aber kostenpflichtig und die Preise sind nicht sehr attraktiv », betont die ehemalige Freiberuflerin, schliesslich gehe es darum, nicht mit den privaten Labors zu konkurrenzieren.

Anfang März steht für Nadine jeweils eine Weinprobe nach der anderen auf dem Programm. Schon am Freitag geht es in die nächste Degustationsrunde, diesmal in der Walliser Landwirtschaftsschule in Châteauneuf. Die Veranstaltung wird von Vitival, der Vereinigung der Walliser Winzer für integrierte Produktion, in Zusammenarbeit mit dem Kanton Wallis und Agroscope organisiert und ist bereits restlos ausgebucht. Grund dafür ist, dass es sich um ein äusserst spannendes Thema handelt, nämlich die Rebsorten der Zukunft. Rund zwanzig sogenannte robuste Rebsorten stehen dabei im Mittelpunkt. Diese sind widerstandsfähiger und benötigen weniger Pflanzenschutzmittel, und sind somit ein echter Glücksfall: « Weniger Schwefelung bedeutet weniger Rückstände im Wein und eine bessere Vereinbarkeit von Weinbergen und Wohngebieten. Also genau das, was der Konsument sich wünscht », betont die Önologin.

Bei der Veranstaltung kommen die Weinkenner in den Genuss eher unbekannter Weine: ein Fleurtai, ein Soreli, ein Voltis oder auch ein Volturnis. Einige Exemplare haben sogar einen Codenamen, wie zum Beispiel der 1049 P. « Vor zwanzig Jahren brachten diese robusten Rebsorten eher uninteressante Weine hervor, heute hat die neue Generation aber grosses Potenzial », räumt Nadine Pfenninger-Bridy ein. Dennoch sei Vorsicht geboten, das Weinland Wallis dürfe sich nicht verzetteln, warnt sie: « Damit wir Einfluss auf den Markt haben, dürfen wir nur mit wenigen neuen Rebsorten starten. Das Ziel ist es nicht, unsere einheimischen Rebsorten wie die Petite Arvine und den Cornalin zu ersetzen. Wir haben für diese Rebsorten gekämpft und wollen sie erhalten ».

Als Tochter eines Winzers wuchs Nadine Pfenninger-Bridy in den Weinbergen von Leytron auf. Ihr Diplom in Önologie erwarb die 50-Jährige an der Haute école de viticulture et oenologie Changins in Nyon. Nach ihrer Ausbildung im Jahr 1995 war sie fünf Jahre lang als Assistentin des Waadtländer Kantonsönologen tätig, und machte sich schliesslich nach ihrer Rückkehr ins Wallis als beratende Önologin selbständig. « Den Kontakt mit den Kellermeistern habe ich immer geschätzt. Auch heute noch ist dieser Aspekt eine Bereicherung meiner Aufgaben ».

Die Qualität der Walliser Weine zu festigen, lautet der erste Auftrag der Kantonsönologin. Ihre zweite Aufgabe ist es, die Rückverfolgbarkeit der Walliser Weine, vom Weinglas zurück zum Weinberg, zu gewährleisten: « Ich muss auch sicherstellen, dass für alle eingekellerten Trauben ein Produktionsrecht nachweisbar ist, um Betrug zu vermeiden ». Dabei bevorzugt sie es jedoch, in ihrer Rolle als beratende Önologin und nicht als Polizistin aufzutreten. Nichtsdestotrotz ist sie sich bewusst, welchen Sinn diese Kontrollen haben: « Für unser Weinbauland Wallis sind die Vorteile zwar weniger offensichtlich, doch bin ich überzeugt, dass diese Kontrollen, diese Rückverfolgbarkeit für die Branche nützlich ist, um denjenigen, die gute Arbeit leisten, die nötige Wertschätzung entgegenzubringen  ».

Ich muss auch sicherstellen, dass für alle eingekellerten Trauben ein Produktionsrecht nachweisbar ist, um Betrug zu vermeiden

Am Ende unseres Austauschs kristallisiert sich heraus: Die Kantonsönologin spielt eine Schlüsselrolle in der Walliser Weinkultur, einerseits als Beraterin der Kellermeister/innen, andererseits als Bindeglied zur Forschung und Schnittstelle zu Politik und Berufsverbänden. Nadine schätzt die Arbeit im Team, bestreitet aber auch den eher einsamen Part ihrer Tätigkeit nicht. Sie vergleicht diesen mit einer guten Degustation: « Wenn man bei einem Wein eine Entscheidung treffen muss, sitzt man allein vor dem Glas. Es ist wichtig, zu seinen Eindrücken und seinem Gefühl zu stehen, ohne sich beeinflussen zu lassen. Dann folgt der Austausch mit dem Kellermeister. Manchmal sind wir gleicher Meinung, manchmal nicht. Und wenn wir uns nicht einig sind, dann verkosten wir halt einfach noch einmal.  »

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