Medienmitteilung

Baudossiers der Gemeinde Bagnes - Aufforderung durch den Staatsrat

28/05/2020 | Staatsrat

In seiner Eigenschaft als Oberaufsichtsbehörde über die Baupolizei hat der Staatsrat die Gemeinde Bagnes aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2020 den in den letzten vier Jahren im Zusammenhang mit den rechtswidrigen Bauten eingeleiteten Standardisierungsprozess abzuschliessen. Erfüllt die Gemeinde nach Ablauf dieser Frist die gestellten Anforderungen nicht, leitet der Staatsrat ein Verfahren zur Ersatzvornahme anstelle der Gemeindebehörden ein.

Im Frühling 2016 eröffnete der Staatsrat ein Aufsichtsverfahren im Zusammenhang mit den rechtswidrigen Bauten in der Gemeinde Bagnes. Am 27. April 2016 richtete er eine erste Aufforderung an die Gemeinde und verlangte von dieser, eine gesetzeskonforme Situation wiederherzustellen, nachdem ein Expertengutachten erhebliche rechtliche Mängel (Nichtkonformitäten) bei den im Ferienort Verbier gebauten Chalets festgestellt hatte.

Anschliessend hat der Kanton über die mit der Weiterverfolgung dieses Dossiers beauftragte Arbeitsgruppe und Unterarbeitsgruppe die von der Gemeinde Bagnes übermittelten Informationen regelmässig geprüft, stichprobenweise Akteneinsicht genommen und Besuche vor Ort durchgeführt. Im Juni 2018 stellte der Staatsrat fest, dass die erzielten Fortschritte immer noch unzureichend waren, und forderte die Gemeinde auf, 18 Korrekturmassnahmen umzusetzen und Halbjahresberichte über deren Umsetzung vorzulegen. Für jeden Halbjahresbericht hat der Staatsrat der Gemeinde eine Analyse der als erledigt wie auch als verbesserungswürdig erachteten Punkte sowie der klärungsbedürftigen Fragen vorgelegt.

Der erste Teil des Expertenberichts des Rechtsanwalts und ehemaligen Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Jean-Luc Baechler, der im Herbst 2019 veröffentlicht wurde, bestätigt die Richtigkeit der Vorkehren, die der Kanton, der Staatsrat und seine Vertreter in Übereinstimmung mit der geltenden Rechtsordnung unternommen haben, und dass diese mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt haben, auch wenn bestimmte Aspekte hätten verbessert werden können, insbesondere was die Formalisierung der Untersuchungen und der Verwaltungsentscheide betrifft.

Diese vom Kanton durchgeführten Vorkehren und Analysen haben nun zu folgender Feststellung geführt, die durch den zweiten Teil des am vergangenen 9. April veröffentlichten Expertenberichts von Jean-Luc Baechler bestätigt wird: Die derzeitige Praxis der Gemeinde Bagnes in Bezug auf neue Dossiers kann insgesamt als zufriedenstellend beurteilt werden; demgegenüber unterscheidet sich die Situation von der bisherigen Weiterverfolgung der alten Fälle, die regularisiert und für welche die Arbeiten beschleunigt werden müssen.

Auf der Grundlage der Empfehlungen des Experten Jean-Luc Baechler ist der Staatsrat der Ansicht, dass es die auf dem Spiel stehenden öffentlichen Interessen nach mehr als vier Jahren erfordern, dass die Gemeinde den von ihr eingeleiteten Standardisierungsprozess innerhalb der von ihr selbst gesetzten Frist bis zum 31. Dezember 2020 abschliesst. Aus diesem Grund hat der Staatsrat der Gemeinde Bagnes eine Aufforderung zugestellt, in der er ihr für verschiedene, jeweils unterschiedliche Aufgaben entsprechende Fristen gesetzt hat, damit sie ihre Regularisierungsarbeiten abschliessen kann.

Bis zum 31. August 2020 hat die Gemeinde eine Bestandsaufnahme der 691 Dossiers vorzunehmen, die sie als konform erachtet, zu denen alle oder ein Teil der 148 derzeit in Überprüfung befindlichen Dossiers hinzugefügt werden können, und für jedes dieser Dossiers hat sie eine Rechtmässigkeitserklärung zu erstellen. Der Staatsrat behält sich das Recht vor, eine nachträgliche stichprobenweise Überprüfung vorzunehmen.

Bis zum 31. Dezember 2020 hat die Gemeinde eine systematische und individuelle Prüfung der verbleibenden Dossiers vorzunehmen (d.h. 166 Dossiers, die von der Gemeinde zur eingehenden Untersuchung festgehalten wurden, der Rest der oben erwähnten 148 zu prüfenden Dossiers und 92 Dossiers, die die vom Kanton analysierten Dossiers und die laufenden Fälle der Baupolizei umfassen). Jeder geprüfte Fall muss dann in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen und der Rechtsprechung zu einem Entscheid führen, der rechtsgenüglich zu begründen ist, auch unter dem Gesichtspunkt des Widerrufs.

Bis zum 31. Januar 2021 erwartet der Staatsrat von der Gemeinde einen Schlussbericht über den Regularisierungsprozess.

Sollten allenfalls nach der Aufforderung vom 27. April 2016 nicht-konforme Entscheide getroffen worden sein, behält sich der Staatsrat überdies alle notwendigen Massnahmen vor.

Bei Nichteinhaltung der von der Regierung gestellten Anforderungen ergreift diese in Anwendung der Artikel 150 des Gemeindegesetzes und 48 der Bauverordnung die erforderlichen Ersatzmassnahmen auf Kosten der Gemeinde Bagnes. Zur Erinnerung, in Artikel 150 des Gemeindegesetzes heisst es: «Versäumt eine Behörde einer öffentlichrechtlichen Körperschaft die Erfüllung einer vom Gesetz zwingend vorgeschriebenen Aufgabe oder Handlung, kann der Staatsrat nach wenigstens einer Mahnung die notwendigen Massnahmen treffen oder einen Dritten an Stelle und auf Kosten der säumigen Körperschaften mit der Ausführung dieser Aufgabe beauftragen.» Artikel 48 der Bauverordnung besagt: «Vernachlässigen die für die Baupolizei zuständigen Behörden ihre Aufgaben oder sind sie nicht in der Lage, diesen nachzukommen und sind dadurch öffentliche Interessen gefährdet, so hat an ihrer Stelle der Staatsrat als Aufsichtsbehörde über das Baubewilligungsverfahren und die Baupolizei die erforderlichen Massnahmen zu verfügen».