Medienmitteilung

Baudossiers der Gemeinde Bagnes - Zweiter Bericht des Experten Jean-Luc Baechler

09/04/2020 | Departement für Mobilität, Raumentwicklung und Umwelt

Nach einem ersten Bericht, der die Zweckmässigkeit der vom Kanton seit Bekanntwerden von rechtswidrigen Bauten in Verbier im Jahr 2016 unternommenen Schritte bestätigte, hat der Experte Jean-Luc Baechler, Anwalt und ehemaliger Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, dem Staatsrat nun seinen zweiten Bericht über die von der Gemeinde eingeführten Verfahren und Massnahmen unterbreitet. Daraus geht hervor, dass die Gemeinde bei Entscheiden zu neuen Dossiers das geltende Recht einhält. Die eingeführten Verfahren zur Korrektur der Konsequenzen der in der Vergangenheit erfolgten Unregelmässigkeiten wurden ebenfalls für gut befunden. Die Arbeiten müssen allerdings beschleunigt werden, damit alle betroffenen Dossiers bis Ende Jahr behandelt werden können.

In der Angelegenheit der Baudossiers der Gemeinde Bagnes zog der Staatsrat im Juni 2019 den Freiburger Rechtsanwalt und früheren Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Jean-Luc Baechler als externen Experten hinzu. Der erste Teil seines Mandats bestand in der Analyse der vom Kanton im Rahmen der Beaufsichtigung der Gemeinde Bagnes seit Bekanntwerden der illegalen Bauten in Verbier im Jahr 2016 unternommenen Schritte. Diese Analyse war Gegenstand eines ersten im Herbst 2019 veröffentlichten Berichts, der zum Schluss kam, dass die Regierung und die Mitarbeitenden der Kantonsverwaltung im Einklang mit der geltenden Rechtsordnung und gewissenhaft gehandelt haben, obschon gewisse Aspekte, insbesondere auf Ebene der Formalisierung der Untersuchungen und administrativen Entscheide, verbesserungswürdig sind.

Für den zweiten Teil seines Mandats wurde Jean-Luc Baechler vom Staatsrat mit der Prüfung der von der Gemeinde Bagnes unternommenen Schritte beauftragt. Er hat dem Staatsrat seinen zweiten Bericht fristgerecht unterbreitet.

Überprüfung der Praxis betreffend neue Baubewilligungsgesuche
Wie vom Staatsrat verlangt, hat der Experte die kommunale Praxis betreffend neue Baubewilligungsgesuche überprüft.

Gestützt auf die von der Unterarbeitsgruppe der Kantonsverwaltung im Januar 2020 vor Ort durchgeführten Kontrollen, stellt der Experte fest, dass die Gemeinde die geltende Gesetzgebung insgesamt einhält und die vereinzelten Kritikpunkte diese Einschätzung nicht infrage stellen.

Gemäss Experte hat die Aufsichtsbehörde ihre prioritäre Aufgabe, die darin besteht, sich zu vergewissern, dass die Gemeinde Bagnes von ihrem rechtswidrigen Verhalten abgerückt ist und inskünftig alle Baubewilligungsgesuche unter strikter Einhaltung der geltenden Rechtsnormen behandelt, zufriedenstellend erfüllt.

Überprüfung der kommunalen Praxis in Sachen Behandlung von Bauten, die ohne Bewilligung oder in Abweichung von einer Bewilligung erstellt wurden
Der Experte hat auch die Anwendung der baupolizeilichen Verfahren beleuchtet, insbesondere in jenen Fällen, wo Bauarbeiten ohne Bewilligung oder in Abweichung von einer erteilten Bewilligung ausgeführt wurden.

Aus dem Bericht geht hervor, dass die Verfahren in zahlreichen Fällen noch immer nicht abgeschlossen sind. Die Beachtung der Rechte Dritter und des rechtlichen Gehörs sowie die ausdrückliche Rechtsmittelbelehrung scheinen mittlerweile in den Verfahren und Entscheiden gut integriert zu sein. In zahlreichen Streitfällen wurden bereits Bussen verhängt, die oft sehr hoch ausgefallen sind. Hingegen wurden, zumindest bislang, noch keine widerrechtlichen Gewinne eingezogen, obwohl die Verjährungsfrist weiterhin läuft.

In den Augen des Experten sollte die Bearbeitung dieser Dossiers beschleunigt werden, um sie noch vor dem 31. Dezember 2020 zu regeln, zumal die Vorgehensweise bekannt ist.

Überprüfung der Verfahren und Massnahmen zur Regularisierung der Entscheide, die sich auf ein nicht konformes Gemeindereglement stützen: «mangelhafte Entscheide»
Im Einklang mit dem Auftrag der Regierung hat der Experte schliesslich die von der Gemeinde zur Regularisierung eingeleiteten Verfahren und Massnahmen in Bezug auf die als «mangelhaft» bezeichneten Baubewilligungen (also die «alten» Baubewilligungen, in denen die Ausnützungsziffern (AZ) nicht nach den kantonalen Vorschriften berechnet wurden) überprüft.

Diese Überprüfung hat gezeigt, dass die von der Gemeinde Bagnes eingeführten Regularisierungsverfahren insgesamt der auf der Grundlage der Empfehlungen der Kantonsbehörden erarbeiteten Methodik entsprechen. Sie stehen vollumfänglich im Einklang mit der geltenden Rechtsordnung. Die diesbezüglich von der Gemeinde ergriffenen Massnahmen (strikte Anwendung des kantonalen Rechts, Erhebung der Fälle, Erstellung von je nach Verfahrensfortschritt erweiterbaren Listen, Überprüfung der strittigen Dossiers, Audit, Reorganisation und Verstärkung der Baubehörde, Externalisierung gewisser Aufgaben, Prozessoptimierung usw.) werden den Anforderungen sowie den Grundsätzen der Verhältnismässigkeit, der Gleichbehandlung, von Treu und Glauben sowie der Effizienz gerecht.

Allerdings darf der Faktor Zeit nicht vernachlässigt werden. Die Gemeinde hat zwar bereits mehrere diesbezügliche Entscheide gefällt, doch es bleiben noch zahlreiche Fälle, die geprüft werden müssen. Nach Ansicht des Experten muss sich die Gemeinde nun die nötigen Mittel geben, um die Regularisierung abzuschliessen und innerhalb der selbst auferlegten Frist, also bis zum 31. Dezember 2020, einen Schlussstrich unter diese Affäre zu ziehen. Andernfalls wird es Sache des Staatsrates sein, ernsthaft die Einleitung eines Verfahrens in Erwägung zu ziehen, um an Stelle der Gemeindebehörden handeln zu können.
Nach Meinung des Experten wäre die Gemeinde im Hinblick auf Fälle, die sich aus einem mangelhaften Entscheid ergeben und in denen das überwiegende öffentliche Interesse eine Wiederherstellung gebietet, gut beraten, vorsorglich umfangreiche Rückstellungen für die sich daraus ergebenden Entschädigungen und Schadenersatzzahlungen zu bilden.

Die Affäre in ihrer Gesamtheit
Insgesamt registrierte die Gemeinde 1265 Baudossiers, für die zwischen April 2012 (Datum des Bundesgerichtsentscheids, der die Nichtkonformität des Gemeindereglements feststellte) und dem 27. April 2016 (Ermahnung des Staatsrates) eine Bewilligung erteilt wurde. Zum heutigen Zeitpunkt bleiben 166 Fälle, die Gegenstand einer Detailuntersuchung im Hinblick auf ein Regularisierungsverfahren bilden müssen. 145 Dossiers müssen noch behandelt werden. Hinzu kommen 117 hängige Baupolizeidossiers.

Der Experte stellt jedoch fest, dass die Gemeinde umfassende Massnahmen ergriffen hat, um die 18 Auflagen des Staatsrates vom 13. Juni 2018 zu erfüllen. Sie haben ihre Früchte getragen, denn die meisten dieser Auflagen wurden inzwischen erfüllt oder stehen kurz davor. Trotzdem bleibt noch viel zu tun, um die «Altlasten» aufzuarbeiten.

Abschliessend schlägt Jean-Luc Baechler eine Reihe von vorsorglichen Massnahmen vor, die von der Aufsichtsbehörde zu ergreifen sind, falls es der Gemeinde nicht gelingen sollte, die noch anstehenden Schritte fristgerecht abzuschliessen. Überdies gibt er mehrere Denkanstösse, um es dem Staatsrat allenfalls zu ermöglichen, griffigere Massnahmen im Zusammenhang mit den Baudossiers der Gemeinden zu ergreifen (z.B. Beschwerderecht des Kantons in Sachen Baubewilligungen, obligatorische Vormeinung der Dienststellen usw.). Im Übrigen weist der Experte darauf hin, dass die von der Staatsanwaltschaft angestrengte Strafuntersuchung nicht unterschätzt werden darf, die zu gegebener Zeit die individuellen Verantwortlichkeiten für jeden Einzelfall festlegen und aufzeigen wird, ob ein regelrechtes organisiertes System existierte.

Medienmitteilung

Bericht (nur auf Französisch)