Medienmitteilung

Baudossier der Gemeinde Bagnes - Ergebnisse der durch den Staatsrat veranlassten Kontrollen und Massnahmen

14/06/2018 | Departement für Mobilität, Raumentwicklung und Umwelt

Die durch den Kanton in Bagnes durchgeführten Stichproben zeigen, dass sich die Gemeinde um die Einhaltung der Gesetze bemüht hat. Für den Staatsrat sind diese Fortschritte jedoch noch unzureichend. Die Kontrollen lassen im Allgemeinen den Schluss zu, dass die unerlaubte Praxis bei der Berechnung der Ausnützungsziffer (AZ) nach dem Mahnschreiben des Staatsrats aufgegeben wurde. Aus den geprüften Akten ergibt sich ausserdem, dass die Gemeinde das Zweitwohnungsrecht nach heutiger Kenntnis korrekt anwendet. Eine Reihe von Bauentscheiden weisen jedoch noch Unzulänglichkeiten auf, die von der Gemeinde korrigiert werden müssen. Der Staatsrat erwartet, dass die Gemeinde ihre Regularisierungsarbeiten baldmöglichst erledigt, dass sie auf eine genauere Anwendung mehrerer Bestimmungen achtet, dass sie eine bestimmte Anzahl Praktiken anpasst und ihm darüber halbjährlich einen Kontrollbericht abgibt. Es werden neue Kontrollen durchgeführt, um die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zu überprüfen. Die Regierung hat zudem Massnahmen ergriffen, um die Aufsicht über die Gemeinden generell zu stärken.

Ende April 2016 hatte der Staatsrat nach Kenntnisnahme der im Bericht der Sachverständigen Veuthey und Bender aufgeworfenen Probleme bezüglich der Verfahren im Bausektor in Verbier eine interdepartementale Arbeitsgruppe, bestehend aus Dienstchefs betroffener Dienststellen, ins Leben gerufen und die Gemeinde Bagnes aufgefordert, das Funktionieren des gesamten Bausektors zu verbessern und Kontroll-, Überprüfungs- und Regularisierungsmassnahmen zu ergreifen, um wieder eine gesetzeskonforme Situation herzustellen.

Im August 2017 setzte der Staatsrat eine Unterarbeitsgruppe ein mit dem Auftrag, vor Ort und stichprobeweise die Konformität der seit Ende April 2016 - dem Datum des Mahnschreibens des Staatsrats an die Gemeinde - ausgestellten Baubewilligungen zu prüfen sowie die Konformität der Regularisierung einer Auswahl von Dossiers von den insgesamt 117, in denen die Gemeinde Verstösse feststellte, zu überprüfen.

Die Unterarbeitsgruppe, die sich aus Fachpersonen der verschiedenen betroffenen Dienststellen des Staats zusammensetzt, traf auf der Grundlage der zu analysierenden Themen eine Auswahl von 51 Dossiers. Zwischen Oktober 2017 und Februar 2018 fanden vor Ort bei der Gemeindeverwaltung Kontrollen dieser Dossiers statt. Besichtigungen vor Ort fanden zudem im Beisein der Eigentümer oder ihrer Vertreter statt.

Nach Analyse des Berichts der Unterarbeitsgruppe, hat die Arbeitsgruppe dem Staatsrat einen Bericht mit Massnahmenvorschlägen vorgelegt.

Parallel dazu hatte der Staatsrat Professor Kurt Nuspliger beauftragt, die Rolle des Kantons zu analysieren und ein detailliertes juristisches Gutachten über die Aufsicht und Oberaufsicht des Kantons über die Gemeinden im Baubereich zu erstellen. Der Staatsrat hatte die Arbeitsgruppe beauftragt, die Empfehlungen zur

Optimierung des bestehenden Systems eingehend zu prüfen und ihm Vorschläge zu unterbreiten.

Ergebnisse der vor Ort durchgeführten Kontrollen

Baugesetz

Auf der Grundlage der stichprobeweise geprüften Dossiers wurde festgestellt, dass - vorbehaltlich zweier Sonderfälle (ein Fall, der die AZ nicht respektierte, dessen Entscheid aber widerrufen wurde, und ein Fall, in welchem die Arbeiten im Wesentlichen vor langer Zeit mit Zustimmung oder zumindest mit Kenntnis der Gemeinde durchgeführt wurde) - die Gemeinde Bagnes seit dem vom Staatsrat am 27. April 2016 übermittelten Schreiben ihre rechtswidrige Praxis bei der Berechnung der Ausnützungsziffer (AZ) eingestellt hat. In Bezug auf die Ausnützungsübertragung wurden einige Entscheide in verschiedener Hinsicht als fragwürdig eingestuft. Bei der Analyse wurden einige besondere Probleme festgestellt, insbesondere im Hinblick auf die Zonenkonformität in den Tourismuszonen T3 und T4 oder auf die Anwendung einer falschen Tabelle, welche dem Zonennutzungsplan beigelegt war. Auf Verfahrensebene hat die Analyse der Dossiers ergeben, dass es nicht selten vorkam, dass Bauentscheide erst nach einer längeren Zeit zugestellt wurden. Darüber hinaus scheint es in bestimmten Fällen, dass die Gemeinde Projektänderungen öffentlich hätte auflegen sollen oder zumindest betroffene Dritte hätte konsultieren sollen.

In Bezug auf die Baupolizei wurde festgestellt, dass der Gemeinderat nicht immer mit der Strenge durchgriff, die von den einschlägigen Bestimmungen gefordert wird (Arbeitseinstellung, Einleitung von Wiederherstellungsverfahren).

Was die von der Gemeinde Bagnes gewährte Behandlung von mangelhaften Baubewilligungen («alte» Baubewilligungen mit einer Berechnung der Ausnützungsziffer, welche nicht nach kantonalen Vorschriften erfolgte) betrifft, so ist dies fraglich. Obwohl die Bedingungen für einen Widerruf sehr streng sind und daher praktisch nur schwierig erfüllt werden, sollte sich die Gemeinde Bagnes nicht darauf beschränken, einzig bei Bauten einzugreifen, die nicht den erteilten Baubewilligungen entsprechen. Im Gegenteil, sie sollte jede in der Vergangenheit erteilte Baubewilligung prüfen, die ein Problem im Zusammenhang mit der Ausnützungsziffer darstellt und prüfen, ob ein Widerruf des Bauentscheids in Betracht gezogen werden muss.

Schliesslich verlangte die Gemeinde Bagnes in einigen Fällen die Bezahlung einer Geldbusse vor der Aufhebung der Arbeitseinstellung oder der Erteilung einer Baubewilligung. Diese Methode erscheint im Hinblick auf das Baurecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze problematisch.

Bundesgesetz über die Zweitwohnungen (ZWG)

Insgesamt lassen die stichprobeweise überprüften Dossiers den Schluss zu, dass die Gemeinde Bagnes seit dem Schreiben des Staatsrats das Bundesgesetz über die Zweitwohnungen (ZWG) eingehalten hat.

Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Gemeinde beim einen oder anderen Dossier zum Zeitpunkt der Kontrolle noch nicht die erforderlichen Eintragungen im Grundbuch hat vornehmen lassen.

Die Gemeinde Bagnes hat angesichts der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 144 II 49 vom 16. Januar 2018) den Baugesuchen für Erstwohnungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen, wobei festgehalten ist, dass das betreffende Urteil nach der Kontrolle durch die Unterarbeitsgruppe gefällt wurde (Bauentscheide zwischen dem 27. April 2016 und dem 19. September 2017).

Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG)

Was die Anwendung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG) betrifft, so ist die hauptsächliche Feststellung das Fehlen eines Bewilligungsantrags bei Änderungen von Wohnungen, deren Erwerb Gegenstand einer solchen Bewilligung war, die für Eigentümer obligatorisch ist. Im Rahmen des BewG sind in erster Linie die Eigentümer verantwortlich für Arbeiten, welche ohne Genehmigung durchgeführt wurden und für Änderungen an Wohnungen.

Massnahmen für die Gemeinde Bagnes

Als Folge dieser Kontrollen vor Ort verlangt der Staatsrat in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde von der Gemeinde Bagnes:

  • die gesetzlichen Bestimmungen insbesondere bei der Ausnützungsübertragung streng anzuwenden; die erforderlichen Massnahmen im Zusammenhang mit Entscheiden zu treffen, die in dieser Hinsicht problematisch sind;
  • ein Verzeichnis zu führen, das eine Auflistung der in den Bauzonen ausgenutzten Flächen enthält;
  • den Wortlaut der Artikel 107 und 108 des kommunalen Bau- und Zonenreglements zu revidieren, um Unklarheiten zu beseitigen;
  • die Tabelle der am 6. Februar 2002 und 25. Juni 2003 homologierten Zonen anzuwenden und die falschen Versionen abzuändern;
  • ihre Bemühungen fortzusetzen, um eine schnellere Bearbeitung der Dossiers zu ermöglichen (insbesondere im Hinblick auf die Zustellungsfristen);
  • strikte Anwendung der Bestimmungen über die öffentliche Auflage oder die Konsultation von Dritten, wenn es sich um Projektänderungen handelt;
  • die baupolizeilichen Verfahren im Zusammenhang mit Bauarbeiten, die ohne Baubewilligung oder in Überschreitung einer Baubewilligung ausgeführt wurden, einzuleiten, beziehungsweise weiterzuverfolgen und so bald wie möglich abzuschliessen (s. Liste von 117 Dossiers, in denen die Gemeinde Verstösse festgestellt hat, sowie alle anderen Dossiers, die Verstösse enthalten);
  • die gesetzlichen Bestimmungen im Bereich der Baupolizei konsequent anzuwenden;
  • die Überprüfung von getroffenen Entscheiden zurück bis zum Urteil des Bundesgerichts vom 2. April 2012, um zu beurteilen, inwiefern ein Widerruf der fehlerhaften Bewilligung möglich ist und wenn ja, ob eine Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands gefordert werden kann und daraus entsprechende Entscheidungen zu treffen;
  • die verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmungen des Baugesetzes und der Bauverordnung unter strikter Einhaltung der geltenden Verfahren anzuwenden;
  • die in den Baubewilligungen formulierten und noch nicht im Grundbuch eingetragenen Nutzungsbeschränkungen zeitnah einzutragen und den Staatsrat davon zu unterrichten;
  • die Dossiers, in denen die Gemeinde zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 31. Dezember 2015 Erweiterungen genehmigt hatte, zu analysieren und gegebenenfalls zu regularisieren;
  • den Staatsrat über die Art und Weise zu informieren, wie die noch nicht abgeschlossenen Baupolizeidossiers in Bezug auf das ZWG geregelt worden sind;
  • die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Erteilung von Baubewilligungen für Erstwohnungen zu berücksichtigen;
  • in systematischer Weise die für die Anwendung des BewG zuständige Behörde zu informieren, wenn durch Personen im Ausland Änderungen an Wohnungen vorgenommen werden;
  • die Antragsteller, die dem BewG unterstellt sind, über die Folgen der Abänderung ihrer Wohnung aus Sicht des BewG zu informieren;
  • den betreffenden Baubewilligungen eine Auflage hinzuzufügen, gemäss welcher ihre Gültigkeit mit dem Erhalt einer Bewilligung durch die in Bezug auf das BewG zuständige Behörde verknüpft ist;
  • sämtliche Verstösse der zuständigen Behörde zu melden.

Die Gemeinde Bagnes wird ersucht, dem Staatsrat zweimal jährlich (30. Juni und 31. Dezember) und bis auf weiteres einen Bericht über die Durchführung und Weiterverfolgung der geforderten Korrekturmassnahmen zu erstatten. Gegebenenfalls werden weitere Massnahmen angeordnet.

Der Staatsrat hat andererseits die Gemeinde Bagnes am 2. Mai 2018, nachdem er festgestellt hatte, dass sie das Vergaberecht nicht einhält, aufgefordert, die einschlägigen Rechtsvorschriften strikt anzuwenden. Er teilte ihr mit, dass die in den letzten zwei Jahren durchgeführten Ausschreibungen überprüft werden.

Allgemeine Massnahmen zur Aufsicht von Gemeinden

Im Übrigen hat der Staatsrat auf der Grundlage der Empfehlungen von Professor Kurt Nuspliger mehrere Massnahmen beschlossen. Es geht darum, dem Parlament eine Gesetzesbestimmung vorzuschlagen, die es dem Kanton ermöglicht, amtliche Kontrollen von Gemeinden durchzuführen, die Homologationsverfahren von Zonennutzungsplänen und/oder Gemeindereglementen zu optimieren, ein zentrales Informationssystem für die Gemeinden mit allen relevanten Dokumenten einzurichten und eine systematische Bestandsaufnahme aller vom Kanton auszuführenden Aufsichts- und Oberaufsichtsaufgaben anzufertigen mit dem Ziel, ein Gesamtkonzept für die Aufsicht der Gemeinden zu erstellen. Eine gesetzliche Grundlage soll geschaffen werden, die die Gemeinden verpflichtet, Fälle von Änderungen an Wohnungen durch Personen im Ausland und Verstösse gegen das BewG zu melden.

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